Ziehharmonikaeffekt zwischen Zinspolitik von EZB und Fed
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Seit Donald Trump als US-Präsident die globalen Wirtschaftsregeln neu schreibt, haben die Konjunktur- und Inflationsaussichten deutlich an Konturen verloren. Und er greift die Unabhängigkeit der US-Notenbank an. Trotzdem darf man die erste Zinssenkung der Federal Reserve in diesem Jahr nicht als Einknicken von Fed-Chef Jerome Powell interpretieren. Er hat die Inflationsentwicklung abgewartet. Doch die Fed hat auch das Ziel möglichst hoher Beschäftigung. Da der Arbeitsmarkt schwächelt, dürfte in den USA der Zinssenkungstrend bis zum ersten Halbjahr 2026 anhalten.
Begrenzter Spielraum für die EZB
In der Eurozone deuten die Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2026 auf eine leichte Erholung hin. Zwar bleiben die strukturellen Probleme der industriellen Transformation mit dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und überbordender Bürokratie bestehen, aber die hohen Fiskalprogramme in Verteidigung und Infrastruktur geben einen vorübergehenden Schub.
Die expansive Fiskalpolitik mit weiterhin steigenden Schuldenständen und anhaltend hohen Budgetdefiziten hat den Zinssenkungsspielraum der Europäischen Zentralbank (EZB) spürbar reduziert. Dazu kommt, dass sich die Inflationsrate noch immer leicht über dem Zielwert von zwei Prozent hält. Die Kernrate – also die Teuerung ohne Energie, Nahrungsmittel und Tabak – befindet sich mit 2,3 Prozent hartnäckig darüber. Und ohne Energie, die derzeit zwei Prozent unter dem Vorjahr die Gesamtrate nach unten drückt, wäre der Anstieg der Verbraucherpreise sogar 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Da die EZB traditionell die Energie- und Nahrungsmittelpreise als von ihr nicht beeinflussbar zumeist ignoriert und daher der Kernrate hohes Augenmerk schenkt, dürfte der Leitzinssenkungstrend ziemlich ausgeschöpft sein. Nach achtmaligen Leitzinsabsenkungen hat die EZB sowohl im Juli wie im September die Wartetaste gedrückt. Und Zuwarten dürfte in absehbarer Zeit auch die Mehrheit im EZB-Rat präferieren. Grund dafür sind die nach wie vor hohen Steigerungsraten bei den Dienstleistungspreisen von über drei Prozent, die durch hohe Lohnabschlüsse und ausbleibendes Produktivitätswachstum befeuert werden.
Frankreich als potenzieller Störfaktor
Der Drei-Monats-Euribor pendelt sich jetzt minimal über der Zwei-Prozent-Marke ein, der Zwölf-Monats-Euribor bei 2,16 Prozent. Während die Geldmarktsätze ihr Abwärtspotenzial vorläufig erreicht haben, tendieren die Kapitalmarktzinsen seit einem Jahr sogar leicht nach oben. Dabei haben die Swap-Sätze nur geringfügig zugelegt, während die Staatsanleiherenditen doch um 20 bis 30 Basispunkte über dem Sommer 2024 liegen.
Der Grund ist einfach: Die überbordenden Budgetdefizite mit ihren Sonderfinanzierungsrahmen bei Verteidigung und Infrastruktur bedeuten hohe Kapitalnachfrage am Anleihemarkt. Da dies auch für die Benchmark Deutschland gilt, ist dies auch für alle anderen Euroländer, so auch Österreich, maßgeblich. Somit dürfte sich die Benchmarkrendite für zehnjährige Bundesanleihen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten zwischen 2,5 und 3,0 Prozent bewegen, österreichische Renditen etwa 30 bis 40 Basispunkte höher.
Bei den zehnjährigen Swap-Sätzen ist das Zinsniveau mit 2,69 Prozent aktuell fast dem deutschen Bund entsprechend. Eine Parallelbewegung ist daher künftig plausibel. Ein akuter Sonderfall, der zum Störenfried für die Eurozone werden könnte, ist jedoch Frankreich.

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Ökonom, Kolumnist, Kommentator