Europa: Prioritäten anders setzen
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Es wird ein fast sprunghafter Anstieg der globalen Mitteltemperatur in den letzten zwei Jahren registriert; der Klimawandel schreitet schneller voran, als von den Wissenschaftlern erwartet. Die Ursachen sind noch in Diskussion – es gibt mehrere mögliche Erklärungen. Die Temperaturen, die derzeit in Österreich, Deutschland und der Schweiz auftreten, wären nach den regionalen Klimamodellen erst in etwa zehn Jahren zu erwarten gewesen.
Zugleich treten Extremwetter auf, deren Ausmaß ebenso unerwartet ist wie die Zeit und die Orte, an denen sie auftreten. Man denke nur an die sintflutartigen Niederschläge in Niederösterreich im September 2024, die Hitze im April in Portugal oder die durch den Hurrikan Helene in North Carolina, einem US-Binnenstaat, verursachten Überschwemmungen. Das Unerwartete wird wesentlich wahrscheinlicher.
Geschäftsmodelle wackeln
Wenn Eintrittswahrscheinlichkeiten für Extremereignisse nicht mehr berechenbar sind, wird das Geschäftsmodell der Versicherungen infrage gestellt. Erste Folgen zeigen sich bereits in den USA, wo in manchen Regionen Häuser nicht mehr verkäuflich sind, weil sie niemand mehr versichern will.
Zugleich wird das EU-Regelwerk der letzten Legislaturperiode, welches das Potenzial hat, die Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung voranzubringen, derzeit zurückgenommen oder verwässert. Das schadet nicht nur der mittel- und langfristigen Wirtschaftsentwicklung, sondern untergräbt auch das Vertrauen in politische Entscheidungen. Bei künftigen Regelungen werden sich viele Betriebe mit den Vorbereitungen für die Umsetzung mehr Zeit lassen. Mag sein, dass manche Datenerhebungs- und Berichtspflichten nicht praktikabel waren, aber die Ziele der Regelungen dürften nicht infrage gestellt werden. Auf nationaler Ebene müssten Mittel bereitgestellt werden für Vorarbeiten, etwa zur Umsetzung der Taxonomie-Verordnung oder dem Lieferkettengesetz, die eine Realisierung erleichtern würden.
Die politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen, die derzeit von den USA ausgehen, sollten genutzt werden, das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem zu überdenken. Auch ohne diesen Anstoß würde das in den nächsten Jahren notwendig werden, das spüren alle. Netto-Null-Emissionen können mit dem derzeitigen auf Obsoleszenz und Wachstum ausgerichteten Produktions- und Wirtschaftssystem keinesfalls erreicht werden. Es liegen zahlreiche Konzepte für besseres Wirtschaften vor – es wäre an der Zeit, diese ernsthaft zu diskutieren und neue Wege zu gehen.
Ansatzpunkte
Kreislaufwirtschaft, Vollgeld, irgendeine Form von Gemeinwohlökonomie – das alles sind Ansatzpunkte, die zu verfolgen sich lohnt.
Vordringlich wäre es allerdings, dass sich Europa für Frieden einsetzt, denn ohne Frieden gibt es keine nachhaltige Entwicklung, und ohne eine solche keinen Frieden. Zum Schutz vor einer unterstellten Bedrohung ganz Europas durch Russland werden enorme Mittel freigemacht, zum Schutz vor der sicheren Klimakatastrophe und Anpassung an den schon vorhandenen Klimawandel fehlt das Geld.

Autor
Klimaforscherin
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