Klimaschutz: "Weiter, pragmatischer, aber ohne Rückschritt!"
Veröffentlicht
Lesezeit
%0A&w=1920&q=75)
Der Weltblick verstört derzeit. Wir rüsten auf, das Denken endet an den nationalen Grenzen und manche denken laut darüber nach, diese Grenzen auch noch zu erweitern. Haben Sie noch Hoffnung in Sachen Klimaschutz? Tina Deutsch: Nun ja, historisch betrachtet durchlaufen alle großen Transformationen mehrere Phasen. Und das hier ist eine klassische Phase des Aufbäumens des Alten. Man weiß nicht, wie es ausgeht – es gibt zwar diese reaktionäre Gegenbewegung, aber gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, dass Veränderung notwendig ist. Viele erkennen jetzt, dass wir weitermachen müssen: pragmatischer, aber ohne Rückschritt. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit eine "De-Ökologisierung" will. Im Gegenteil: Die meisten sehen in der Ökologisierung der Wirtschaft eine klare Chance.
Das Alte wirkt eben stabiler als das unbekannte Neue. - Eine Einteilung in "gutes Neues" und “böses Altes" wäre auch zu einfach. Wir brauchen auch das Bewahrende. Stabilität kann gut sein – es geht darum, eine Balance zu finden. Was wir aber nicht wollen, ist Rückschritt oder gar Hetze. Da sind wir uns wohl einig. Neben Covid und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist das Klimathema eines der drei großen Felder, in denen Desinformation am stärksten verbreitet wird.
Der eben vorgestellte Clean Industrial Deal zeigt ja, dass sich etwas bewegt. Wie beurteilen Sie das? - Er ist ähnlich, wie das Regierungsprogramm in Österreich: im Grunde nicht schlecht, mit einigen sehr guten Ansätzen. Aber der Clean Industrial Deal bleibt an der Oberfläche und ist in vielen Bereichen zu unkonkret. Was auffällt, ist, dass weniger Engagement spürbar ist als noch beim Green Deal vor fünf Jahren.
"Green" wurde zu "Clean" – das war klarerweise eine bewusste sprachliche Veränderung. - Das ergibt durchaus Sinn, wenn wir das Thema nun stärker unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit betrachten. Begriffe, wie "Wohlstand", "Leistbarkeit" und "Sicherheit" erreichen aktuell eine breitere Öffentlichkeit als der reine Klimaschutz. Und gleichzeitig sind all diese Themen nur durch Ökologisierung wirklich erreichbar. Allerdings machen wir in manchen Bereichen, wie z.B. in der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Rückschritte – das ist schade.
Leistbare Energie ist in den Fokus gerückt. Diese fordert ja auch - vollkommen zurecht - die Industrie. - Das ist natürlich zentral. Wir müssen unsere produktionsintensive Industrie auf neue Beine stellen. Die Kreislaufwirtschaft ist dabei ein Schlüsselthema – gerade in Österreich gibt es viele gute Beispiele. Hier können wir Innovations-Hubs schaffen und gleichzeitig unsere geopolitische Unabhängigkeit stärken.
Wo ist Österreich besonders gut aufgestellt? - Da gibt es viele Beispiele, von großen Unternehmen bis hin zu kleineren Innovationsprojekten. Wienerberger hat gezeigt, dass man mit nur einem Elektro-Ofen Ziegel brennen kann. Die Voestalpine wird zwei ihrer fünf Hochöfen durch Elektrolichtbogenöfen ersetzen – ein großer Schritt in Richtung Dekarbonisierung. Bei Graz steht das Green Tech Valley, wo sich bereits 300 Umwelttechnologieunternehmen zusammengeschlossen haben.
Es wird viel Geld investiert – die Voestalpine allein steckt 1,5 Milliarden Euro in neue Technologien für die Gewinnung von grünem Stahl. - Ja, und das ist auch sinnvoll, denn hier entsteht ein riesiger Markt. Eine Studie von Cambridge Econometrics im Auftrag von Kontext zeigt, dass Investitionen in grüne Technologien das BIP steigern und neue Jobs schaffen. Die langfristigen Vorteile überwiegen die Kosten deutlich. Wir müssen uns also überlegen, welche Berufe in Zukunft gefragt sein werden – die Umwelttechnik bietet hier beispielsweise enorme Chancen. Je früher wir investieren, desto mehr Arbeitsplätze bleiben in Österreich.
Gleichzeitig wird das Budget in Österreich saniert. Das betrifft auch die Öko-Förderungen - Sparen ist grundsätzlich legitim – auch wenn Ökonomen ja durchaus unterschiedlicher Meinung sind, wann man am besten spart – und wann erst recht investiert. Dabei sind eben Kosten nicht dasselbe wie Investments. Was ich schade finde, ist, dass offensichtliche Maßnahmen, die keinen großen Diskussionsbedarf haben, nicht angegangen werden. Etwa der Abbau klimaschädlicher Subventionen, wie der Dieselprotektionismus oder die Pendlerpauschale. Gleichzeitig streicht man Förderungen für den Heizungsumstieg, obwohl gerade diese die heimische Wirtschaft ankurbeln würden.
Kommuniziert die Politik ihre Maßnahmen überhaupt richtig? - Eher nicht. Die letzte Regierung hat einige gute Maßnahmen umgesetzt, aber sie oft nicht nachbetreut oder erklärt. Dadurch konnte die Bevölkerung vieles nicht verstehen. Das öffnet Tür und Tor für Narrative, wie sie etwa die FPÖ jetzt nutzt: Sie sagen, wie schlecht alles war, und schaffen nachträglich eine neue Deutungshoheit. Das ist ein klassisches Beispiel für "Post-Bunking" – also die nachträgliche Neubewertung von politischen Entscheidungen.
In der Innovations- und Wettbewerbspolitik schauen viele auf die USA. Wo liegen unsere Chancen? - Das hängt davon ab, ob wir ein finite oder infinite Game spielen – also ein endliches oder ein unendliches Spiel.
Das müssen Sie mir jetzt erklären! - In einem endlichen Spiel gibt es Gewinner und Verlierer, am Ende hat eine Partei alle Karten in der Hand. In einem unendlichen Spiel geht es darum, dass das gesamte System gedeiht, also der “Kuchen” wächst und sich weiterentwickelt. Das Problem ist, dass Trump ein klares finite game spielt. Er setzt auf kurzfristige Gewinne, Abschottung und “Deals”, bei denen nur einer gewinnt – das mag kurzfristig erfolgreich sein, ist aber langfristig nicht nachhaltig.
China setzt auf grüne Technologien – aber nicht aus reiner Menschenliebe heraus, oder? Genau. Die Frage ist, ob wir daran glauben, dass es globale Allianzen gibt, die erkannt haben, dass der Klimazug längst rollt. China ist führend in Batterietechnologie, Photovoltaik und Elektromobilität. Sie haben ihren Emissionshöhepunkt vermutlich schon 2024 erreicht, obwohl sie parallel noch in Kohle investieren. Ursprünglich hatten sie 2030 dafür als Ziel gesetzt. Aber China verfolgt eine klare Strategie: Sie setzen auf Zukunftstechnologien. Wenn jemand heute massiv in fossile Energien investiert, dann ist das oft nur der Versuch, eine kurzfristige Cash Cow zu melken – langfristig ist das kein zukunftsfähiges Modell.
China drängt auch stark auf den Markt für Elektroautos, was uns dann auch nicht gefällt. - Absolut. Der Net Zero Industry Act und der Clean Industrial Act wurden genau deshalb beschlossen – es geht darum, in diesen Zukunftsmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine kluge Regulierung kann helfen, damit Europa konkurrenzfähig bleibt. Natürlich darf sie nicht überbordend sein und muss in der Umsetzung smart überlegt sein, aber wenn wir hohe Standards setzen, stärken wir langfristig unsere wirtschaftliche Position.

Tina Deutsch ist Mitgründerin und Managing Partner von Kontext, einem auf Transformation und Strategie spezialisierten Thinktank mit Expertise in nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Sie war in den Bereichen Energie, Banking, Private Equity und Consulting tätig. Das Kontext-Institut sieht sich als eine unabhängige Stimme im österreichischen Klimadiskurs, die sich seit Anfang 2024 dafür einsetzt, Klarheit in Klimafragen zu schaffen und die Transformation der Wirtschaft zu beschleunigen.

Autor
Chefredaktion
Mehr zum Thema #Klimawandel
Europa: Prioritäten anders setzen
Europa: Prioritäten anders setzen
%0A&w=3840&q=75)
Klimaforscher: Holz ist die Ressource des 21. Jahrhunderts
Klimaforscher: Holz ist die Ressource des 21. Jahrhunderts
%0A&w=3840&q=75)
Columbia Threadneedle Investments Japan: Der schlafende Riese erwacht
Columbia Threadneedle Investments Japan: Der schlafende Riese erwacht
