Politik-Umfrage: Mehr Geld fürs Heer – und was bringt’s?
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Die Zeiten der Friedensdividende sind vorbei. Die österreichische Bundesregierung will das Verteidigungsbudget massiv erhöhen. 1,5 Prozent des BIPs sollen es bereits 2027 sein. Und in selten dagewesener Einigkeit unterstützen im Prinzip alle fünf Parlamentsparteien diesen Plan. Auffallend bei der vom Börsianer durchgeführten Befragung ist das allgemeine Bekenntnis zur Wehrpflicht. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit liebäugelten die Parteien, mit wechselnder Meinungs- und Rollenverteilung, mit deren Abschaffung. Die neue geopolitische Situation verändert alles. Dabei stellt sich die Frage, was bringt es volkswirtschaftlich, wenn staatliche Finanzimpulse in die Rüstung anstatt in zukunftsfähigere Bereiche fließen, verfügt doch das neutrale Österreich über keine nennenswerte Rüstungsindustrie. Hier geben sich die Parteien in Zweckoptimismus.
Trotz fehlender Rüstungsindustrie könne Österreichs Wirtschaft durch Gegengeschäfte, Technologietransfer und spezialisierte Zulieferungen profitieren, so die Einschätzung der jeweiligen Sprecher der Parlamentsparteien. Genannt werden die Bereiche Elektronik, Fahrzeugbau, Aviation und Automotive. Unternehmen wie Glock und Steyr Arms zeigen vorhandenes Potenzial. Bürokratische Hürden und fehlende Industriekooperationen schadeten dem Vorhaben bisher nur. Eine geplante Rüstungsagentur könnte neue Chancen eröffnen, so die Idee der Regierungsparteien.

Die Bundesregierung plant, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Halten Sie das für angemessen? – Angesichts der großen sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen – wie des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der Terrorgefahr, Desinformations-Offensiven und Gefahren aus dem Cyberbereich – ist es wichtig und richtig, in die Landesverteidigung zu investieren. Die Zeiten der sogenannten Friedensdividende sind vorbei – und Neutralität schützt nur dann, wenn man sie auch verteidigen kann.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der österreichischen Landesverteidigung? Soll Österreich stärker auf europäische Kooperation setzen – etwa im Rahmen einer gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie? – Die Republik Österreich setzt seit Jahrzehnten auf Kooperationen im Verteidigungsbereich, die mit unserer Neutralität auch vereinbar sind. Etwa im Rahmen des „Partnership for Peace“-Programms der Nato. Angesichts der bereits erwähnten Bedrohungsbilder ist eine stärkere Zusammenarbeit natürlich immer ein Thema. Mit der Beschaffungsinitiative Sky Shield, bei der wir gemeinsam mit anderen Staaten für einen effizienten Schutz des Luftraums sorgen, gehen wir nun einen weiteren Schritt.
Das österreichische Bundesheer basiert auf Wehrpflicht und Miliz. Halten Sie dieses Modell angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen für zukunftsfähig? – Über Reformen darf und soll selbstverständlich immer diskutiert werden, wenn sie der Verbesserung der Rahmenbedingungen für unsere Soldatinnen und Soldaten dienen. Unser auf Wehrpflicht und dem Milizsystem basierendes Modell ist gut und bewährt – zudem wird aber auch eine von Bundesministerin Klaudia Tanner eingesetzte Expertenkommission Vorschläge zur Weiterentwicklung des Wehrdienstes erarbeiten. Das ist auch ein Beitrag, um die Landesverteidigung innerhalb der Bevölkerung breit zu verankern. Schließlich ist die geistige Landesverteidigung neben der militärischen und wirtschaftlichen ein tragender Eckpfeiler unserer Verteidigungspolitik.

Die Bundesregierung plant, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Wie beurteilen Sie dieses Ziel? Halten Sie es für angemessen? – Eine Stärkung der Landesverteidigung ist grundsätzlich zu begrüßen, doch Geld allein schafft noch keine Sicherheit. Die Mittel müssen zielgerichtet eingesetzt werden: in moderne Ausrüstung, bessere Ausbildung und – wie verfassungsrechtlich vorgesehen – in die Miliz. Die SPÖ steht für ein Bundesheer, das funktionstüchtig ist, konsequent demokratisch kontrolliert und transparent finanziert wird.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der österreichischen Landesverteidigung? Soll Österreich stärker auf europäische Kooperation setzen – etwa im Rahmen einer gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie? Falls ja: Wie könnte eine solche Strategie konkret aussehen, auch unter Berücksichtigung der österreichischen Neutralität? – Die sicherheitspolitischen Herausforderungen machen stärkere europäische Zusammenarbeit zwingend notwendig. Österreich kann und muss sich im Rahmen der EU engagieren – unter Wahrung der Neutralität. Das heißt: Teilnahme an gemeinsamen friedensunterstützenden und humanitären Missionen, Abstimmung bei Ausrüstung und Infrastruktur, aber keine Beistandsverpflichtung! Unsere Neutralität ist kein Hindernis, sondern ein Auftrag zur aktiven Friedenspolitik, die wir im Rahmen von internationalen Institutionen wie Uno, OSZE und dergleichen aktiv nutzen und vorantreiben.
Das österreichische Bundesheer basiert auf Wehrpflicht und Miliz. Halten Sie dieses Modell angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen für zukunftsfähig? – Die SPÖ bekennt sich klar zur allgemeinen Wehrpflicht und zum Milizsystem. Aber: Es braucht dringend Reformen. Wir wollen die Ausbildung modernisieren, die Einsatzbereitschaft der Miliz erhöhen und das Zusammenspiel mit Katastrophenschutz kollektiv stärken.

Die Bundesregierung plant, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Wie beurteilen Sie dieses Ziel? Halten Sie das für angemessen? – Wir unterstützen das Ziel, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Damit wird ein wichtiger Schritt gesetzt, um die Versäumnisse der Vergangenheit in der Landesverteidigung auszugleichen. Klar ist aber: Trotz der Erhöhung der Mittel ist es wichtig, genau hinzusehen, wo die Prioritäten des Bundesheeres in Hinblick auf das Risikobild in der Zukunft liegen. Das Ziel muss sein, dass die zusätzlichen Mittel effizient und zielgerichtet für eine moderne, einsatzbereite Landesverteidigung verwendet werden.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der österreichischen Landesverteidigung? Soll Österreich stärker auf europäische Kooperation setzen – etwa im Rahmen einer gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie? – Österreich ist keine einsame Insel in Europa. Es ist unmöglich, als kleines Land allein seine Sicherheit zu gewährleisten. Bedrohungen wie Cyberattacken, hybride Kriegsführung oder Drohnenattacken können nur im europäischen Verbund abgewehrt werden. Deshalb ist es auch gut, dass wir uns im Regierungsprogramm zur Beteiligung an Sky Shield bekannt haben. Die Neutralität steht einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstrategie nicht im Weg, da Österreich mit dem EU-Beitritt auch der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vollumfänglich beigetreten ist.
Das österreichische Bundesheer basiert auf Wehrpflicht und Miliz. Halten Sie dieses Modell angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen für zukunftsfähig? – Wir haben uns immer schon für eine Professionalisierung der Landesverteidigung und eine starke europäische Zusammenarbeit ausgesprochen. Im Regierungsprogramm haben wir uns mit ÖVP und SPÖ darauf geeinigt, dass eine Kommission verschiedene Modelle zur Verbesserung der aktuellen Wehrpflichtregelung erarbeiten soll. Das passiert aktuell, und daher können und werden wir dieser Kommission nicht vorgreifen.

Die Bundesregierung plant, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Wie beurteilen Sie dieses Ziel? Halten Sie es das für angemessen? – Wegen jahrzehntelanger Unterfinanzierung des Bundesheers ist ein enormer Investitionsrückstau in allen Bereichen entstanden. Der Aufholbedarf ist riesig. Bis in das Jahr 2032 sollte das Verteidigungsbudget auf zwei Prozent des BIPs steigen. Im Jahr 2027 sehe ich daher eine Höhe von 1,5 Prozent des BIPs als das Minimum an. Nato-Staaten diskutieren gerade über eine Anhebung des Ziels von zwei Prozent auf fünf Prozent des BIPs – wobei hier „nur“ 3,5 Prozent Verteidigungsausgaben im engeren Sinn sind.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der österreichischen Landesverteidigung? Soll Österreich stärker auf europäische Kooperation setzen – etwa im Rahmen einer gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie? – Landesverteidigung ist grundsätzlich Sache der Nationalstaaten. Österreich als neutrales Land hat seine Landesverteidigung eigenständig sicherzustellen, ohne Abstützung auf ein Militärbündnis. Wir lehnen sowohl einen Nato-Beitritt als auch eine EU-Armee ab. Unser neutralitätspolitisches Vorbild sollte vielmehr die Schweiz sein. Das Ziel einer EU-Verteidigungsunion lehnen wir ab und legen Wert auf die sogenannte Irische Klausel, die in den EU-Verträgen unsere Neutralität absichert.
Das österreichische Bundesheer basiert auf Wehrpflicht und Miliz. Halten Sie dieses Modell angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen für zukunftsfähig? – Die Wehrpflicht und das Milizsystem sind für die Zukunft absolut richtungsweisend. Andere Staaten bereuen es, dass sie die Wehrpflicht abgeschafft haben. Nur durch ein Milizsystem kann man im Ernstfall eine hohe Anzahl Soldaten aufbieten. Dass dies notwendig sein kann, sehen wir gerade in der Ukraine. Ein großes stehendes Heer wäre unfinanzierbar. Wir wollen ein „Volksheer“, also Bürger in Uniform. Dazu müssen der Grundwehrdienst verlängert und wieder verpflichtende Milizübungen eingeführt werden.

Die Bundesregierung plant, das Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs zu erhöhen. Wie beurteilen Sie dieses Ziel? Halten Sie das für angemessen? – Wir sehen die Notwendigkeit, die Selbstverteidigungsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres wiederherstellen zu müssen. Deshalb haben wir die notwendigen Gesetze während unserer Regierungsbeteiligung mitgetragen. Zwei Punkte sind dabei zentral: Zum einen müssen Investitionen transparent und nachvollziehbar sein, es geht um sehr viel Steuergeld; auf der anderen Seite wollen wir, dass die Sicherheit und das Wohl der Grundwehrdienstleistenden, Soldatinnen und Soldaten im Vordergrund steht.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der österreichischen Landesverteidigung? Soll Österreich stärker auf europäische Kooperation setzen – etwa im Rahmen einer gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie? – Wir sehen die Zukunft der österreichischen Landesverteidigung stark mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union verzahnt. Die österreichische Verfassung gibt uns dafür – auch unter Berücksichtigung der Neutralität – den größtmöglichen Spielraum, den wir auch ausschöpfen wollen. Jedenfalls müsste diese Verteidigungsstrategie auf den Grundpfeilern der EU basieren: Solidarität, Menschenrechte und Berücksichtigung der jeweiligen Stärken und Schwächen.
Das österreichische Bundesheer basiert auf Wehrpflicht und Miliz. Halten Sie dieses Modell angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen für zukunftsfähig? – Das Wehrpflicht- und Milizsystem bleibt zukunftsfähig, wenn es reformiert wird. Wir lehnen eine verpflichtende Verlängerung des Wehrdiensts ab. Stattdessen müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden – etwa moderne Unterkünfte und eine zukunftsrelevante, praxisnahe Ausbildung. Nur so wird das Bundesheer als Arbeitgeber attraktiver und motiviert Grundwehrdiener, sich freiwillig weiter in der Miliz zu engagieren.

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