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Leonardo-CEO: Bytes statt Kugeln

Die Rüstungsindustrie ist mit einem Umsatz von 41 Milliarden Euro eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen Italiens. Börsianer-Korrespondentin Micaela Taroni hat sich mit Leonardo-CEO Roberto Cingolani in Rom über die Macht der Künstlichen Intelligenz in der Verteidigungswirtschaft unterhalten.

Veröffentlicht

14.10.2025

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3 min
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© Leonardo S.p.A. and subsidiaries.

Herr Cingolani, was sind derzeit die Prioritäten von Leonardo im Bereich der Verteidigungssysteme?Roberto Cingolani: Wir wollen Leonardo in ein echtes Technologieunternehmen verwandeln, das nicht mehr in getrennten Sektoren arbeitet. Die heutigen Einsatzszenarien sind vernetzt: Land, Luft, Meer, Weltraum und Cyberraum agieren wie ein einziges, inte­griertes System, gesteuert durch Digitalisierung und Cybersicherheit. Hybride Bedrohungen summieren sich zu den traditionellen und erfordern integrierte und schnelle Reaktionen. Das Konzept globaler Sicherheit umfasst auch Energie, Infrastrukturen, digitale Netze und sogar Nahrungsmittel. Diese Realität wurde mit dem Krieg in der Ukraine besonders deutlich. Leonardo hat daraus gelernt und eine industrielle Vision entwickelt, die gezielt in hochwertige Bereiche investiert – Digitalisierung, Raumfahrt, Cybersecurity.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz, also KI, in der Luftraumverteidigung? – In modernen, komplexen Einsatzumgebungen mit einer Mischung aus hybri­den und traditionellen Bedrohungen spielt KI eine Schlüsselrolle. KI inte­griert und koordiniert Informationen aus allen Einsatzräumen – Luft, Land, Meer, Weltraum und Cyber – und beschleunigt die Analyse, Bedrohungserkennung und Entscheidungsprozesse. In Szena­rien, in denen ein Staat durch Angriffe auf digitale Systeme lahmgelegt oder eine Drohne per Smartphone gesteuert werden kann, ist KI unerlässlich, um schnelle, resiliente Reaktionen zu ermöglichen.

Das Verteidigungswesen steht vor beispiellosen Herausforderungen, und unbemannte Systeme gehören definitiv dazu. Die Verteidigung der Zukunft wird weniger von Kugeln und mehr von Bytes geprägt sein.
Roberto Cingolani
CEO Leonardo

Was ist notwendig für ein gemeinsames europ­äisches Handeln? – Zuerst braucht es den politischen Willen der Regierungen und die Bereitschaft der Industrie. In den vergangenen Monaten gab es auf europäischer Ebene wichtige Fortschritte – aber es ist noch viel zu tun. Unternehmen tragen hier große Verantwortung: Sie können Vorreiter sein, indem sie Synergien schaffen und Regierungen zur Kooperation ermutigen. Ein Beispiel ist das Joint Venture mit dem deutschen Konzern Rheinmetall im Bereich der Landverteidigungssysteme. Leonardo verfolgt eine europäische industrielle Vision. Daher haben wir unsere Anstrengungen verstärkt, strategische internationale Partnerschaften aufzubauen. Unser Ziel ist es, europäische Sicherheitszentren zu konsolidieren und die Zersplitterung zu reduzieren – eine Zersplitterung, die Europa in der aktuellen geopolitischen Lage nicht nur ineffizient macht, sondern auch schadet.

Roberto Cingolani, CEO Leonardo
Der Physiker ist Inhaber von mehr als 100 Patenten und war von Februar 2021 bis Oktober 2022 italienischer Umwelt­minister im Kabinett von Mario Draghi. 2023 wurde er von Ministerpräsidentin Georgia Meloni mit der Leitung des Rüstungskonzerns Leonardo betraut, dessen Hauptaktionär das italienische Finanz­ministerium ist. Er ist Autor oder Co-Autor von etwa 1.100 Publikationen.

Werden in der Verteidigung künftig noch Menschen gebraucht – oder übernehmen Roboter die Oberhand? – Die Verteidigung der Zukunft wird weniger von Kugeln und mehr von Bytes geprägt sein. Das Verteidigungswesen steht vor beispiellosen Herausforderungen, und unbemannte Systeme gehören definitiv dazu. Leonardo hat deshalb zuletzt eine strategische internationale Partnerschaft mit dem türkischen Konzern Baykar Technologies geschlossen, einem führenden Unternehmen im Bereich unbemannter Technologien. Wir sind überzeugt, dass technologische Kooperation ein entscheidender Hebel ist, um die neuen Herausforderungen im Verteidigungssektor zu meistern. Die Kombination von Leonardos Expertise in Zertifizierung und multidomainfähigen integrierten Technologien mit den unbemannten Plattformen von Baykar wird wichtige Impulse geben – sowohl in Europa als auch weltweit. —

Leonardo und Österreich
2022 und 2023 unterzeichneten Leonardo und das italienische Verteidigungsministerium zwei Verträge im Rahmen eines Abkommens zwischen Italien und Österreich im Gesamtwert von 650 Millionen Euro. Gegenstand der Vereinbarungen ist die Lieferung von 36 Mehrzweckhubschraubern des Typs AW169M LUH inklusive Unterstützungs- und Ausbildungsleistungen für das österreichische Vertei­digungsministerium. Die Lieferung der Hubschrauber an Österreich ist derzeit im Gange. Zusätzlich nutzt Österreich RAT31-Überwachungsradaranlagen, die ebenfalls von Leonardo stammen. Im Mai 2025 gab das italienische Verteidigungsministerium bekannt, im Rahmen desselben Abkommens zwölf M-346 Advanced Jet Trainer für Österreich zu beschaffen.
Micaela Taroni

Autor

Micaela Taroni

Korrespondentin Italien

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