Leonardo-CEO: Bytes statt Kugeln
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Herr Cingolani, was sind derzeit die Prioritäten von Leonardo im Bereich der Verteidigungssysteme? – Roberto Cingolani: Wir wollen Leonardo in ein echtes Technologieunternehmen verwandeln, das nicht mehr in getrennten Sektoren arbeitet. Die heutigen Einsatzszenarien sind vernetzt: Land, Luft, Meer, Weltraum und Cyberraum agieren wie ein einziges, integriertes System, gesteuert durch Digitalisierung und Cybersicherheit. Hybride Bedrohungen summieren sich zu den traditionellen und erfordern integrierte und schnelle Reaktionen. Das Konzept globaler Sicherheit umfasst auch Energie, Infrastrukturen, digitale Netze und sogar Nahrungsmittel. Diese Realität wurde mit dem Krieg in der Ukraine besonders deutlich. Leonardo hat daraus gelernt und eine industrielle Vision entwickelt, die gezielt in hochwertige Bereiche investiert – Digitalisierung, Raumfahrt, Cybersecurity.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz, also KI, in der Luftraumverteidigung? – In modernen, komplexen Einsatzumgebungen mit einer Mischung aus hybriden und traditionellen Bedrohungen spielt KI eine Schlüsselrolle. KI integriert und koordiniert Informationen aus allen Einsatzräumen – Luft, Land, Meer, Weltraum und Cyber – und beschleunigt die Analyse, Bedrohungserkennung und Entscheidungsprozesse. In Szenarien, in denen ein Staat durch Angriffe auf digitale Systeme lahmgelegt oder eine Drohne per Smartphone gesteuert werden kann, ist KI unerlässlich, um schnelle, resiliente Reaktionen zu ermöglichen.
Was ist notwendig für ein gemeinsames europäisches Handeln? – Zuerst braucht es den politischen Willen der Regierungen und die Bereitschaft der Industrie. In den vergangenen Monaten gab es auf europäischer Ebene wichtige Fortschritte – aber es ist noch viel zu tun. Unternehmen tragen hier große Verantwortung: Sie können Vorreiter sein, indem sie Synergien schaffen und Regierungen zur Kooperation ermutigen. Ein Beispiel ist das Joint Venture mit dem deutschen Konzern Rheinmetall im Bereich der Landverteidigungssysteme. Leonardo verfolgt eine europäische industrielle Vision. Daher haben wir unsere Anstrengungen verstärkt, strategische internationale Partnerschaften aufzubauen. Unser Ziel ist es, europäische Sicherheitszentren zu konsolidieren und die Zersplitterung zu reduzieren – eine Zersplitterung, die Europa in der aktuellen geopolitischen Lage nicht nur ineffizient macht, sondern auch schadet.

Werden in der Verteidigung künftig noch Menschen gebraucht – oder übernehmen Roboter die Oberhand? – Die Verteidigung der Zukunft wird weniger von Kugeln und mehr von Bytes geprägt sein. Das Verteidigungswesen steht vor beispiellosen Herausforderungen, und unbemannte Systeme gehören definitiv dazu. Leonardo hat deshalb zuletzt eine strategische internationale Partnerschaft mit dem türkischen Konzern Baykar Technologies geschlossen, einem führenden Unternehmen im Bereich unbemannter Technologien. Wir sind überzeugt, dass technologische Kooperation ein entscheidender Hebel ist, um die neuen Herausforderungen im Verteidigungssektor zu meistern. Die Kombination von Leonardos Expertise in Zertifizierung und multidomainfähigen integrierten Technologien mit den unbemannten Plattformen von Baykar wird wichtige Impulse geben – sowohl in Europa als auch weltweit. —


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Korrespondentin Italien
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