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Pensionen: Alt, arm, abhängig

Österreich zahlt hohe Pensionen bei frühem Ruhestand – doch das System kommt zunehmend unter Druck. Wie es gehen könnte, zeigt Dänemark. Dort wurde sehr früh die zweite Säule gestärkt, mit einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung.

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13.10.2025

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Alte Frau auf einer Laufbahn mit einem Rollator
© APA Picturesdesk
„Pension und Altersarmut“ ist auch ein Geschlechterthema. Rund 273.000 ältere Menschen gelten hierzulande laut der Diakonie Österreich als einkommensarm. Sie verfügen als Einpersonenhaushalt über weniger als 1.660 Euro brutto im Monat.

Kaum ein Thema ist so von argumentativen Nebelgranaten durchzogen wie das der Pensionen. Sind die Pensionen sicher? Ja, klar! Das System sei langfristig stabil – insbesondere durch hohe Erwerbsquoten und gute Lohnentwicklung –, sagt die Arbeiterkammer. Faktisch beziehen Österreicherinnen und Österreicher bei einem im internationalen Vergleich niedrigen Pensionsantrittsalter von 60,2 Jahren bei Frauen und 62,3 Jahren bei Männern mit durchschnittlich 1.594 Euro brutto bei Frauen und 2.321 brutto bei Männern* im internationalen Vergleich eine relativ hohe staatliche Pension. Das zeigen auch die Netto-Ersatzraten, wo Österreichs Pensionisten relativ nahe ans letzte Gehalt kommen (siehe Grafik ).

Balken mit den Zahlen zu den Pensionen
© Börsianer
In Österreich bleibt relativ viel vom letzten Einkommen. Doch zu welchem Preis?

Steuern erhalten Pensionssystem

Nur hält das System auch in Zukunft? Johannes Berger, Pensionsexperte des arbeitgebernahen Instituts Eco Austria, sieht einige Herausforderungen. „Durch die im internationalen Vergleich hohen Pensionen und das geringe Pensionsantrittsalter zählt Österreich – trotz recht junger Altersstruktur – zu den Ländern mit den höchsten öffentlichen Pensionsausgaben. Das resultiert wiederum in einer hohen Abgabenbelastung.“ Dazu komme, dass der demografischen Entwicklung zu wenig Rechnung getragen werde. Der Altersabhängigkeitsquotient – das Verhältnis von Menschen über 65 Jahren zu jenen im erwerbsfähigen Alter – steigt rapid. Laut der Statistik Austria wird er von 32 Prozent im Jahr 2023 bis 2035 auf knapp 46 Prozent und bis 2060 auf über 55 Prozent anwachsen.

Österreich zahlt hohe Pensionen bei frühem Antritt – das belastet das System.
Johannes Berger
Pensionsexperte Eco Austria

Die Kopplung des Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung wäre ein logischer Schritt – dafür braucht es keine kühne Mathematik. Während etwa Dänemark das Antrittsalter für alle nach 1970 Geborenen bereits stufenweise auf 70 Jahre erhöht und regelmäßig weiter evaluiert, verharrt Österreich auf der Diskussionsebene. Fiskalratspräsident Christoph Badelt plädiert für eine sozial verträgliche Anhebung auf 67 Jahre. Der ehemalige Neos-Parlamentarier Gerald Loacker ergänzt: „Wenn ein Dachdecker nicht jenseits der 65 arbeiten kann, wird es eine Lösung geben. Aber das kann ja nicht der Grund sein, dass wir alle mit 65 in Rente gehen.“

Kein Glaube an die Rente

Weil die Einnahmen der Pensionsversicherung nicht ausreichen, sind im Bundesbudget für 2025 ein Bundesbeitrag von 18 Milliarden Euro und Überweisungen für Ausgleichszulagen von 1,3 Milliarden budgetiert. Dabei sind die Beamtenpensionen nicht einmal veranschlagt. Der Ageing Report der EU-Kommission sowie der österreichische Fiskalrat kommen übereinstimmend auf altersabhängige Ausgaben der öffentlichen Hand von 15 Prozent des BIPs im Jahr 2035. Im internationalen Vergleich ist das ein hoher Anteil. Und trotzdem oder gerade deswegen: Dass der Lebensstandard allein durch die staatliche Pension zu halten ist, glauben gemäß einer Umfrage von Unique Research nur 38 Prozent der 30-Jährigen. 58 Prozent misstrauen dem staatlichen Pensionssystem prinzipiell.

Arme Frauen

Pension und Altersarmut ist auch ein Geschlechterthema. Rund 273.000 ältere Menschen in Österreich gelten laut der Diakonie Österreich als einkommensarm, verfügen als Einpersonenhaushalt über weniger als 1.660 Euro brutto im Monat. Frauen, besonders alleinstehende, sind davon überpropor­tional betroffen. Die Hauptgründe dafür sind neben fehlenden Ersparnissen oder Erbschaften geringe Pensionsbeitragszeiten, bedingt durch viel Teilzeitarbeit, unbezahlte Care-Arbeit und Kindererziehung, die trotz gesellschaftlicher Fortschritte noch immer überwiegend Frauen leisten. Politisch wurde das Thema Kinderbetreuung in Österreich lange vernachlässigt. Laut der Eurostat weist Österreich mit 35,6 Prozent die drittgrößte Pensionskluft zwischen den Geschlechtern auf – hinter Malta und den Niederlanden. Einige Lösungsverschläge zum Thema Einkommensarmut finden sich in der Börsianer-Politik-Umfrage auf Seite 104.

Was also tun, damit Menschen im Alter mit ihrem Einkommen auskommen? Länger arbeiten, mehr einzahlen? Studien wie der jährlich erscheinende Mercer Global Pension Index oder eine Analyse von Eco Austria von 2024 zeigen: Diversifizierte Pensionssysteme schneiden in Sachen Zukunftssicherheit besser ab als solche, die fast ausschließlich auf das staatliche Umlageverfahren setzen. Als Best Practice gilt etwa Schweden, wo ein kleiner Teil von rund 2,5 Prozent des Bruttogehalts am Kapitalmarkt investiert wird, sowie die Niederlande und Dänemark, wo die zweite Säule der betrieblichen Vorsorge stark ausgeprägt ist.

Systeme, denen auch Finanzminister Markus Marterbauer im Juni-Interview mit dem Börsianer etwas abgewinnen kann. Auf Anfrage des Börsianer zeigen sich auch die zuständigen Parlamentarier der Regierungsparteien offen für Schritte in diese Richtung, ohne allerdings konkret zu werden. Laut dem Börsianer vorliegenden Informationen laufen derzeit Vorgespräche unterschiedlicher Stakeholder. Im Regierungsprogramm findet sich das Ansinnen mit dem Generalpensionskassenvertrag – also der Möglichkeit, die Abfertigung in eine Pensionskasse übertragen zu können. Diskutiert wird auch ein Modell für Geringverdiener, das bei zehn Euro monatlich die gesamte Prämienhöhe garantieren soll.

Bar chart comparing pension plan assets as a percentage of GDP: Denmark 192.3%, Austria 6.9%. Source: OECD.
© Börsianer
Dänemark befeuert den Kapitalmarkt, Österreich nicht.

Vorbild Dänemark

Vielleicht kann gerade das Beispiel Dänemark einen gemeinsamen Weg in die Zukunft weisen. Dort waren Gewerkschaften von Anfang an eingebunden, als die zweite Säule der betrieblichen Vorsorge Mitte der 1980er-Jahre massiv ausgebaut wurde. „Heute stellt dieses System kaum jemand infrage“, sagt Matthias Vaa, Gesandter des Königreichs Dänemark. Mit einem Schnitt von etwa 42.000 Euro jährlich und einer Bruttoersatzrate zum letzten Einkommen von 74 Prozent liegt das Königreich im Bereich der österreichischen Pensionen und im Spitzenfeld Europas. Der Unterschied der Systeme: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung profitieren von der zweiten, betrieblichen Säule, die kapitalgedeckt ist. In Österreich sind es weniger als ein Viertel. Bereits 2040 soll in Dänemark laut Prognosen die Hälfte der Pensionszahlungen aus der zweiten Säule kommen – die andere Hälfte wird in Dänemark überwiegend steuerfinanziert.

Was laut Vaa auch zur hohen Akzeptanz beiträgt, ist die Transparenz: Die gesamte Zukunftspension wird über ein online verfügbares Konto berechnet. Ein Service, das in Österreich zwar angedacht, aber nie umgesetzt wurde. So bleiben viele Österreicher beim Alterseinkommen im Unklaren.

Auf mehreren Säulen stehen

Kann man das Problem der Einkommensarmut mit einer stärkeren zweiten Säule lösen? Das Wifo rechnet vor, dass eine 2,5-prozentige Zuzahlung pro Monat bis zu 19 Prozent mehr Pension bringen kann – die über beide Geschlechter gleich verteilte Medianpension in Österreich von 1.704 Euro würde um 324 Euro steigen. Doch diese belasten letztlich auch den Faktor Arbeit weiter. Da­rum sagt Pensionsexperte Berger: „Stärkere Anreize für die zweite Säule sind sicherlich überlegenswert. Angesichts der ohnehin hohen Abgabenbelastung des Faktors Arbeit würde ich aber, solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, von einer verpflichtenden betrieblichen oder privaten Vorsorge absehen.“ Ein Ansatz für Berger sei aber, die Mitarbeitervorsorgekasse, bekannt als Abfertigung Neu, stärker als Pensionsvorsorge zu etablieren.

Eine Pensionskasse ist ein kostengünstiger Benefit Arbeitgeber.
Andreas Zakostelsky

Andreas Zakostelsky, der Spartenobmann der Pensions- und Vorsorgekassen, sieht das naturgemäß etwas anders: „Man muss in Sachen Arbeitgeberbelastung die Kirche im Dorf lassen. Eine Pensionskassenlösung ist für den Arbeitgeber keine zusätzliche Belastung, weil die Beiträge steuerlich absetzbar und von Lohnnebenkosten befreit sind.“ Auch die Beitragshöhe der Arbeitgeber soll variabel werden. Er will damit auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ins Boot holen: Eine Pensionskasse ist ein Benefit, ohne dass die Kosten im Verhältnis zu einer vergleichbaren Gehaltserhöhung steigen.“

Das war übrigens auch die Ausgangsposition der Dänen bei der flächendeckenden Einführung der betrieblichen Vorsorge 1987. Damals beschloss man, einen Teil der Lohnerhöhungen in dieses System zu investieren. Das wäre vielleicht auch ein Impuls für die derzeit laufenden Herbstlohnrunden.

Daniel Nutz

Autor

Daniel Nutz

Chefredaktion

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