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Ex-Millionär Klein: "Ich war Teil des Problems"

Der Blinkist-Gründer und Ex-Millionär Sebastian Klein fordert: Kapital muss dem Gemeinwohl dienen, nicht der Gier. Wie er sein Kapital investiert.

Veröffentlicht

13.08.2025

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4 min
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Sebastian Klein sitzt vor einer Wand
© Annette Riedl
Reichtumskritiker. Sebastian Klein war unter dem reichsten Prozent der Deutschen. Die ungleiche Verteilung des Kapitals sieht er als grundsätz­liches Problem.

Reichtum ist toxisch? So hat Sebastian Klein, dessen Buch „Toxisch reich“ im Februar erschienen ist, nicht immer gedacht. Sein einstiges Ziel: so schnell wie möglich reich werden, um nie wieder arbeiten zu müssen. Nach dem Psychologiestudium verdiente er bei der Boston Consulting Group zum Einstieg 70.000 Euro jährlich – Bonus, private Altersvorsorge und weitere finanzielle Annehmlichkeiten obendrauf. Doch die Arbeit erzeugte eine innere Leere, die Klein mit Konsum zu füllen versuchte, wie er im Gespräch mit dem Börsianer Grün erklärt. Nach 15 Monaten kündigte er und begann mit Ende 20, Start-ups zu gründen.

Das mit dem Reichwerden hat dann relativ bald geklappt. 2011 tat sich Klein mit Partnern zusammen, um die Buchzusammenfassungs-App Blinkist zu gründen, die ein Erfolg wurde. Nach dem Verkauf seiner Anteile hatte er fünf Millionen Euro und gehörte zum reichsten ein Prozent der Deutschen. Er hätte „sein Geld für sich arbeiten lassen“ können – eine Aussage, die ihn heute wütend macht. Sie sei ein Mythos, wie er in seiner Kolumne „Milliarden vs. Milliardäre“ ausführt, weil Geld nicht selbst arbeiten könne und Renditen entstünden, wenn andere Menschen dafür arbeiten und Ressourcen ausgebeutet werden.

Geld, Macht, Einfluss

Stattdessen beschäftigte sich Klein mit der ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung und deren Folgen auf Wirtschaft, Klima und Demokratie. In seinem Buch kritisiert er, wie sich Geld vor allem bei sehr reichen Menschen vermehrt, während etwa in seiner Heimat Deutschland ein Sechstel der Bevölkerung von Armut bedroht ist. Nicht nur Geld sammle sich bei den Reichsten, sondern auch Macht – so könnten sie etwa durch Lobbyismus die Politik beeinflussen. Auch am Klimawandel würden Reiche durch ihre Lebensweise viel stärker beitragen als Arme. Ein großer Kritikpunkt ist zudem, dass Reiche zu wenig Steuern zahlen – Klein ist Teil der „Taxmenow“-Bewegung.

Aber zurück zum Wendepunkt vom Möchtegernreichen und tatsächlich Reichen zum Reichtumskritiker. Nachdem Klein Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, eine Art Bibel der Ungleichheitskritiker, gelesen hatte, stellte er fest: „Ich war selbst Teil des Pro­blems. Ich gehörte zum reichsten Prozent der Deutschen.“ Er sprach immer öfter vom Problem extremen Reichtums, wurde aber selbst immer reicher. Das Geld wirkte wie eine Sucht: „Ich habe an mir selber bemerkt, dass das Reicherwerden etwas mit meiner Persönlichkeit gemacht hat, dass es mir auf einmal wichtig wurde, viel Geld zu haben, mehr Geld zu haben.“

Info
Kampagnen für Steuergerechtigkeit

– 2011 forderte der Multimilliardär Warren Buffett eine höhere Besteuerung der Superreichen. Barack Obamas Vorschlag, Menschen, die mehr als eine Million US-Dollar pro Jahr verdienen, mit mindestens 30 Prozent zu besteuern, ist als „Buffett Rule“ bekannt.

– 2025 forderten 370 Millionäre und Milliardäre höhere Steuerabgaben für Superreiche. Extremer Reichtum könne politischen Einfluss kaufen und sei daher eine „Bedrohung der Demokratie“, hieß es in einem offenen Brief an die am Weltwirtschaftsforum versammelten Staats- und Regierungschefs. Die bisherige Politik habe zu der „schlimmsten Ungleichheit seit hundert Jahren“ geführt.

Mit Kapital zur Lösung beitragen

Schließlich wollte der Unternehmer Teil der Lösung werden. Wie die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn trennte er sich vom Großteil seines Vermögens, wenn auch anders und weniger radikal. Die Erbin aus dem BASF- und Böhringer-Mannheim-Imperium spendete 2024 fast 25 Millionen Euro ihres Erbes über einen Bürgerrat an gemeinnützige Organisationen. Klein steckte 90 Prozent seines Vermögens in eigene Unternehmen, die das aktuelle Wirtschafts- und Finanzsystem fairer machen sollen, vor allem in die gemeinnützige Investment-Holding Karma Capital, die mit philanthropischem und Impact-Kapital regenerativ wirtschaftende Unternehmen fördert, die laut eigener Aussage zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen.

Karma Capital finanziert etwa einen nachhaltigen Mobilfunkanbieter, eine Firma, die Tampons aus Algen herstellt, und ein Medienunternehmen, das Greenwashing aufdeckt. Natürlich müssen sich diese Unternehmen am Markt durchsetzen – Klein glaubt an Wettbewerb: „Ich liebe Wettbewerb, aber nicht, wenn die Gewinner schon am Anfang feststehen.“ Die meisten Unternehmen, denen Kapital zur Verfügung gestellt wird, befinden sich in Verantwortungseigentum. Klein erklärt diese Form anhand von Karma Capital, das ebenfalls in Verantwortungseigentum geführt wird: „Karma Capital ist nicht meine Firma. Das Unternehmen gehört sich selbst und wird treuhänderisch von den Menschen geführt, die dort arbeiten. So kann sichergestellt werden, dass das Unternehmen dauerhaft dem Gemeinwohl verpflichtet bleibt.“

Von Neid zu Gier und Geiz

Zweites Tätigkeitsfeld ist die Unterstützung gemeinwohlorientierter Medienunternehmen. Karma Capital gründete etwa den Media Forward Fund mit, der seit 2024 gemeinwohlorientierte Medien im DACH-Raum fördert. Klein betreibt zudem den Verlag „Neue Narrative“, der sich mit der Zukunft der Wirtschafts- und Arbeitswelt befasst. Neue Narrative will er generell fördern – zum Beispiel solle das Narrativ des oft unterstellten Neids auf die Reichen durch eine Diskussion über Geiz und Gier abgelöst werden: „Reiche, die oft durch Erbschaft und ohne jede Leistung zu riesigen Vermögen gekommen sind, sollen sich natürlich in Form fairer Steuern am Gemeinwesen beteiligen. Wer sich mit allen Mitteln dagegen wehrt, ist geizig und gierig.“

Er selbst könne nicht genießen, reich zu sein, während so viele Menschen arm seien. Dabei hält sich Klein sogar für egoistisch: „Ich glaube, dass ich in zwanzig Jahren ein besseres Leben haben werde, wenn ich jetzt auf Geld verzichte und es dafür einsetze, dass die Gesellschaft eine bessere wird.“

Alexandra Rotter

Autor

Alexandra Rotter

ist Autorin für den Börsianer Grün.

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