„Wir lassen jeden Boom aus“
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Herr Hufnagel, laut dem aktuellen EY M&A-Index Österreich H1 2025 ist die Anzahl der M&A-Transaktionen hierzulande im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,8 Prozent gesunken. Wie ist der Rückgang einzustufen? - Robert Hufnagel: Im Vorjahr wurden 118 Deals mit österreichischer Beteiligung erfasst. Der Rückgang ist kein aktuelles Phänomen. Die Anzahl der Transaktionen ist bereits seit zehn Jahren rückläufig. Das ist schon dramatisch. Und umso bedenklicher, weil auch in Zeiten der Hochkonjunktur etwa zwischen 2012 und 2020 oder 2021 wenig passiert ist. Dagegen hat sich der internationale Transaktionsmarkt sehr dynamisch entwickelt und geht nach wie vor durch die Decke. Wir lassen jeden Boom aus, steigen nie mit in lichte Höhen, Krisen hingegen bekommen wir, wie wir derzeit beobachten müssen in voller Härte ab.
Was sind die Ursachen? - Es fehlt oft der Mut für Transaktionen. Dabei müsste man nur über die Landesgrenzen blicken. Der internationale M&A-Markt ist im ersten Halbjahr um 30 Prozent gewachsen. In Österreich sind der Kapitalmarkt- und viel wichtiger die Wachstumskapitalorientierung nur sehr schwach ausgeprägt. Es wird an veralteten Bildern festgehalten. Und bei den Bewertungen sind teilweise absurde Vorstellungen zu beobachten. So bleiben viele Unternehmer lieber bei der Bankfinanzierung. Zusätzlich ging der Appetit auf Veränderung verloren. Oft hat die ältere Generation in den Jahrzehnten des Booms für den Unternehmensaufbau gesorgt, die Nachfolger haben heute mit deutlich veränderten Marktgegebenheiten zu kämpfen. Dennoch sind sie massiv gefordert, Investitionen und damit auch Akquisitionen voranzutreiben. Denn der Status quo wird nicht ausreichen, um den geschaffenen Wohlstand zu erhalten.
Welche Unternehmen sind in Österreich attraktiv? - Mittelständische Unternehmen. Vor allem solche aus dem Technologiesektor. Der Sektor ist in Österreich wichtig und umfasst mehrere Hundert Unternehmen. Diese Unternehmen können hohe Bewertungen erzielen.
Wie passt die schwache Marktentwicklung mit dem Transaktionsvolumen in Österreich zusammen, das im ersten Halbjahr mit 17,3 Milliarden Euro ein neues Rekordhoch erreichte? - Das Volumen hat sich gegenüber dem Vorjahreswert von 2,7 Milliarden Euro mehr als versiebenfacht. Und jetzt kommt das Aber - der sprunghafte Anstieg geht hauptsächlich auf zwei noch ausstehende Großtransaktionen zurück. Dabei handelt es sich um die geplante Übernahme von Santander Polen durch die Erste Group im Umfang von sieben Milliarden Euro. Das ist gut, die Bank hat damit einen weißen Fleck auf ihrer Landkarte beseitigt. Die andere große Transaktion ist die Einbringung von Borealis, Borouge und Nova Chemicals durch OMV und Adnoc in ein neues Joint Venture im Wert von 8,9 Milliarden Euro. Das ist gewaltig. Und eigentlich ist es eine Marktanomalie, ein Unternehmen wie OMV in Österreich zu haben. Da zählt Transformation zum Programm. Wichtig war auch der Deal bei TTTech, einem österreichstämmigen Unternehmen. Das war toll.
Welche Rolle spielt Private Equity in Österreich?- Private Equity ist nicht wichtig. Das ist auch kulturell bedingt. Man denke nur an die Heuschrecken-Debatte vor rund 20 Jahren. Dabei kann Private Equity Volkswirtschaften einen großen Stimulus bringen. Okay, wir befinden uns damit im Herzen des Kapitalismus. Es geht dabei aber insbesondere um den besten Einsatz von Kapital. In Österreich fehlt die Offenheit gegenüber Private Equity. Dazu kommt, dass das Bankennetz in Österreich dicht und Finanzierungen zu attraktiven Konditionen möglich sind.
Gibt es gar kein Interesse an anderen Finanzierungsformen? - Interesse ist da. Und Investoren suchen nach Investitionsmöglichkeiten. Aber sie müssen förmlich ein Türschild aufhängen, um bemerkt zu werden. Ich stamme aus Oberösterreich. In diesem Bundesland haben viele erstklassige Unternehmen ihren Sitz, dennoch ist die Offenheit für Eigenkapitalinstrumente zur Unterstützung von Wachstum limitiert. Hier ist mehr Mut und Offenheit angesagt.
Was raten Sie Unternehmern? - Ich breche die Lanze für Offenheit und Eigenkapital. Man sollte bedenken, dass mit dem Verkauf von Anteilen und der Hereinnahme eines Investors ein starker Wachstumsimpuls gesetzt wird, der Umsatz- und Ertragszuwächse ermöglicht. Teilen führt zu Mehr. Aber nur mit einem gewissen Mut zu Risiko.
Autor
Finanzjournalist
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