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Deloitte-Studie: Unsicherheit bremst Transformation

Eine aktuelle Studie von Deloitte Österreich und Foresight zeigt: Ein Drittel der Unternehmen fährt Nachhaltigkeitsmaßnahmen zurück. Im Interview erklären Christoph Obermair und Stefanie Wedenig, warum geopolitische Unsicherheiten, wirtschaftlicher Druck und regulatorisches Chaos die Transformation bremsen – und was trotzdem Mut macht.

Veröffentlicht

11.12.2025

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4 min
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Pollution, industry, smoke pouring out of a factory chimney, Lenzing, Upper Austria, Austria, Europe
© APA-Images / imageBROKER / Wolfgang Weinhäupl
Zwischen Klimazielen und Unsicherheit: Wirtschaftlicher und regulatorischer Druck erschwert nachhaltige Investitionen.

Laut einer aktuellen Umfrage von Deloitte Österreich und dem Sozialforschungsinstitut Foresight unter rund 400 Unternehmen sieht sich ein Drittel der Betriebe aktuell gezwungen, ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen zurückzufahren. Hauptgründe sind geopolitische Unsicherheiten, wirtschaftlicher Druck und ein instabiler regulatorischer Rahmen. Besonders belastend empfinden 48 Prozent der Unternehmen das aktuelle „Hin und Her“ rund um die Berichtspflichten – insbesondere im Kontext des geplanten Omnibus-Pakets.

Nachhaltigkeitsziele bleiben

Trotzdem verfolgen viele Betriebe ihre Nachhaltigkeitsziele unabhängig von gesetzlichen Vorgaben weiter. Dekarbonisierung steht dabei im Zentrum: 25 Prozent der Befragten fokussieren sich auf die Emissionsreduktion, über ein Drittel verfügt bereits über eine eigene Dekarbonisierungsstrategie – allerdings planen nur wenige einen formalen Klimaübergangsplan. Börsianer hat die Studien-Co-Autoren Christoph Obermair, Partner und Experte für resiliente Lieferketten, und Stefanie Wedenig, Managerin und Dekarbonisierungs-Expertin, zum Interview gebeten.

Balken mit grünen Streifen und Zahlen der Studie von Deloitte
© Deloitte Studie
Allgemeine Aspekte: Einstellung zum Klimawandel im Zeitvergleich.

Ein Drittel der Unternehmen fährt laut Studie Nachhaltigkeitsmaßnahmen zurück. Was sind die Hauptgründe dafür? - Stefanie Wedenig: Die genauen Gründe für die Reduktion der Nachhaltigkeitsmaßnahmen wurden in unserer Studie nicht explizit abgefragt. Aus den Zusammenhängen und von Gesprächen mit unseren Klientinnen und Klienten lässt sich aber herleiten, dass die herausfordernde gesamtwirtschaftliche Situation dazu geführt hat, dass Unternehmen ihre Ressourcen anders priorisieren oder kürzen müssen. In Kombination mit dem aktuell stattfindenden politischen und regulatorischen Fokuswechsel – weg von ESG – verwundert es nicht, dass eben auch Ressourcen für Nachhaltigkeit gekürzt wurden.

Und was bedeutet das konkret, auch Richtung Wettbewerbsfähigkeit? - Wedenig: Dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Ressourcen mit Bedacht eingesetzt werden, ist nicht ungewöhnlich und zeichnet die unternehmerische Vorsicht aus. Dennoch zeigt sich, dass der „Nachhaltigkeitsfahrplan“ der Unternehmen klar definiert ist und daran auch nicht gerüttelt wird. Natürlich kann es – gerade in unserer schnelllebigen Zeit, in der eine neue Entwicklung die nächste jagt – zu zeitlichen Verschiebungen kommen. Doch eines steht fest: Der langfristige Pfad zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist beschritten.

Stefanie Wedenig
„Die herausfordernde gesamtwirtschaftliche Situation führt dazu, dass Unternehmen ihre Ressourcen anders priorisieren oder kürzen müssen.“
Frau mit lachendem Gesicht

Fast die Hälfte der Unternehmen kritisiert das regulatorische „Hin und Her“. - Christoph Obermair: Das regulatorische „Hin und Her“ schafft massive Unsicherheit für Unternehmen, das zeigt auch unsere Studie: 48 % der Befragten sehen dies derzeit als massive Belastung, da Planung und eine ressourceneffiziente Umsetzung so quasi unmöglich gemacht werden. Verständlicherweise warten viele daher lieber ab, bis Rechtssicherheit herrscht, anstatt mögliche „Sunk Costs“ oder Änderungskosten in Kauf zu nehmen.

Ist das eine Innovationsbremse, im Sinne, dass derzeit nicht investiert wird?
- Obermair: Festzuhalten ist, dass das in der Studie adressierte regulatorische „Hin und Her“ sich vorrangig auf Offenlegungspflichten bezieht, die in Unternehmen nicht zwingend an Innovation gekoppelt sind. Ein starker Innovationstreiber ist hingegen das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050, das vielen Unternehmen Anpassungen ihrer Geschäftsmodelle oder Produkte abverlangt. Dieses Ziel ist – bis auf kleine Anpassungen – stabil und somit richtungsweisend. Die Diskussion um die Offenlegungspflichten stellt insofern eine Innovationsbremse in Unternehmen dar, als dass man top-ausgebildete Expertinnen und Experten vorhalten muss, um eine „Eventualverpflichtung“ befriedigen zu können. Diese könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit effizienter in echten Transformationsaufgaben eingesetzt werden.

Eigentlich sollte der Green Deal ja genau die Innovationskraft stärken. Haben wir uns dabei verlaufen? - Obermair: Der Green Deal mit dem Klimaneutralitätsziel der EU stärkt die Innovationskraft von Unternehmen zwingend. Doch seine bürokratische Ausgestaltung mit hohen Transparenzvorgaben hat das Ziel ein wenig aus den Augen verloren und den Deal angreifbar gemacht. Mit dem Versuch, im Rahmen des sogenannten „Omnibus-Pakets“ überbordende administrative Elemente wieder zurückzuziehen, wurde in der politischen Diskussion aber nun das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Weg zurück muss über eine „Entemotionalisierung“ der Diskussion auf politischer Ebene und die Schaffung tragfähiger und fachlich fundierter Kompromisse führen.

Christoph Obermair
„Das regulatorische ‚Hin und Her‘ schafft massive Unsicherheit – Planung und ressourceneffiziente Umsetzung werden dadurch quasi unmöglich.“
Mann in einem Anzug und Bart.

Wedenig: Ein zentraler Kompromiss – gerade unter den verschiedenen Mitgliedstaaten – ist dabei sicherlich das akzeptable Level an Kosten für die grüne Transformation, also wie viel wirtschaftliches „Unwohlsein“ kurzfristig akzeptabel ist, um mittel- und langfristig Vorteile durch den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu sichern.

Dekarbonisierung steht bei vielen ganz oben auf der Agenda, aber nur wenige Unternehmen planen einen formalen Klimaübergangsplan. Warum diese Diskrepanz? - Wedenig: Der formale Klimaübergangsplan kommt aus den ESRS, wird also für die CSRD-Berichterstattung benötigt, wo er bestimmte Elemente und Daten umfassen muss, um konform zu sein. Grundidee des Plans ist es, dass sich Unternehmen damit auseinandersetzen, wie ihre Geschäftsmodelle und/oder Produkte in einer „Net-Zero“-Wirtschaft bestehen können. Diese „Net-Zero“-Wirtschaft ist dabei mit dem Paris-Ziel der Beschränkung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad abgestimmt. Dazu braucht es eben Emissionsreduktion im aktuellen Geschäftsmodell sowie Innovationen. Der Nachweis der Kompatibilität der eigenen Reduktionsziele mit dem 1,5-Grad-Ziel oder die wissenschaftliche Methodik der Reduktionsplanung sind zwei solcher formalen Elemente laut ESRS, die Unternehmen in einem praktisch-pragmatischen Ansatz aber gut und gerne auslassen. Maßnahmen können auch ohne diese Elemente geplant und umgesetzt werden. Unternehmen, die nun also nicht explizit CSRD-pflichtig sind und daher keinen vollständigen, formalen Klimaübergangsplan erarbeiten müssen, setzen Dekarbonisierung oft weniger formalisiert um. Der Mehrwert eines formalen Übergangsplans ist aber trotzdem gegeben: Vollständigkeit, methodische Qualität sowie Vergleichbarkeit. Schließlich werden Unternehmen zukünftig wohl auch außerhalb eines CSRD-Berichts über ihre Dekarbonisierungsambitionen Rede und Antwort stehen müssen, zum Beispiel gegenüber Kapitalgebern.

Daniel Nutz

Autor

Daniel Nutz

Chefredaktion

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