Deutsche Autobauer Endspiel? Von wegen
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Oh Gott, die deutsche Autoindustrie geht den Bach runter: VW machte über lange Zeit mehr mit dem Abbau von Jobs Schlagzeilen als mit dem Neubau von Autos. Von Mercedes kommen Gewinnwarnungen. BMW verkauft weniger, und sogar die zugkräftigste Sportwagenmarke der Welt, Porsche, verdient nicht mehr das, was sie früher nach Hause brachte. Aktionäre sind gebeutelt. Sie haben in den vergangenen zwölf Monaten, egal bei welchem Hersteller sie investiert hatten, zweistellig verloren. Ist das nun das Endspiel für die einstige Vorzeigebranche in Deutschland, an der auch einige österreichische Zulieferbetriebe hängen?
Mercedes, Volkswagen, BMW: Sie alle haben ihre Prognosen für das Jahr 2024 zurücknehmen müssen. Sie alle fahren Sparprogramme, was die Mitarbeiter ausbaden müssen, und sie alle kämpfen damit, dass nicht nur ihr einstiger Wachstumsmarkt China nicht mehr funktioniert, sondern sie wissen auch nicht genau, wie das Auto von morgen wirklich aussehen soll. Das Hin und Her beim Verbrenneraus, auch entfacht durch die Neuwahlen in Deutschland, hilft ihnen nicht.
Selbst Subventionen sind kein Tabu
Die Misere wird als so schlimm geschildert, dass selbst neue Subventionen für E-Autos kein Tabu mehr sind. „Das würde den Herstellern und den Zulieferern, die ja schon Milliarden in die E-Mobilität investiert haben, helfen und so Arbeitsplätze sichern“, sagt ein Sprecher der Industrie-Gewerkschaft Metall dazu. „Es wäre gleichzeitig ein Konjunkturprogramm wie auch eine industriepolitische Fitnessspritze für den notwendigen Umbau der Automobilindustrie.“ Und tatsächlich werden in Deutschland ja auch Dienstwagen – ob als Elektroauto oder in geringerem Maß als Verbrenner-Modell – von der Steuer geschont, was natürlich eine verkappte Subvention ist.
Doch sind echte Subventionen darüber hinaus notwendig? Es gibt eine andere Seite der Bilanz, die die Autohersteller in der Öffentlichkeit lieber weniger beleuchten. Sie sind da wie die Bauern, die, wenn man sie fragt, niemals von Rekordernten, sondern lieber von bescheidenen oder allenfalls zufriedenstellenden Ernten reden. Tatsächlich sind die drei deutschen Top-Marken noch immer weit von einer existenziellen Krise entfernt. Das wird bei einem Blick auf die Zahlen deutlich. Zusammengenommen machten Mercedes, VW und BMW im dritten Quartal 2024 rund 7,1 Milliarden Euro operativen Gewinn – was im Vergleich zum Vorjahresquartal zwar nur noch etwa die Hälfte ist, aber eben auch kein Verlust. Spitzenreiter beim Nettoergebnis dürfte im gesamten vergangenen Jahr ausgerechnet VW mit zwölf Milliarden Euro gewesen sein, Mercedes liegt mit zehn Milliarden und BMW mit geschätzten 8,7 Milliarden Euro dahinter. Alle Ergebnisse sind tief eingebrochen, aber die Unternehmen sind eben noch immer hochprofitabel. Mercedes ist sogar nach Kia der zweitprofitabelste Autohersteller der Welt.
Milliarden für den Umbau
Interessant ist auch die Auswertung der Bilanzen mit Blick auf die Investitionen: VW hatte mit 28 Milliarden im vergangenen Jahr das meiste zu schultern, es ist ein Anstieg um mehr als acht Prozent. BMW dagegen bezifferte seinen Investitionsaufwand mit elf Milliarden Euro, was nur zwei Prozent mehr sind als 2023. Damals allerdings hatte BMW die Investitionen um 20 Prozent hochgefahren. Mercedes nahm 8,6 Milliarden Euro für Investitionen in die Hand, ein Plus von mehr als fünf Prozent. Unterm Strich lässt das den Schluss zu, dass BMW den Großteil des Umbaus zu einem modernen Hersteller, der vom Verbrenner bis zum reinen E-Modell alles anbietet, schon bewältigt hat, während bei VW noch einiges mehr zu tun ist. Tatsächlich läuft bei den drei Premiummarken der E-Auto-Absatz bei BMW noch am besten. Trüb sieht es derzeit für die VW-Tochter Audi aus, die von ihrem direkten Konkurrenten Tesla abgehängt worden ist.
Angesichts der noch immer sprudelnden Gewinne ist der Umbau für die Hersteller aber zu verkraften. Sie stehen alle vor der Rechenaufgabe, das angestammte Geschäft mit dem Verbrennermotor so lange zu betreiben, wie es Gewinne abwirft, und davon den Umbau in Richtung neue Antriebe zu finanzieren. Das Beratungsunternehmen EY beschreibt in seiner Analyse den Prozess so: „Angesichts hoher Investitionen in Elektromobilität, Lieferproblemen bei Komponenten, problematischen Modellwechseln und Rabattaktionen werden die Gewinne noch weiter unter Druck geraten.“ EY prognostiziert deswegen Sparmaßnahmen auf breiter Front – was gerade passiert.
Allerdings ist das nicht das Endspiel für die deutsche Automobilindustrie – was sich beispielsweise auch am sogenannten Free Cashflow der drei Konzerne ablesen lässt. Diese Kennziffer bemisst das Geld, das nach Abzug aller Ausgaben und Investitionen frei zur Verfügung steht. Bei VW sind es 3,7 Milliarden, bei BMW vier und bei Mercedes acht Milliarden Euro.
Willkommen unter den Lebenden
Und so gibt es inzwischen mehr als nur erste Zeichen der Wiederbelebung. Beispiel VW: Der Konzern ist mit Abstand Marktführer in Europa. VW- und Porsche-Vorstandschef Oliver Blume sitzt nach einem Machtbeben beim Sportwagenhersteller Porsche wieder fest im Sattel. Zu den Lichtblicken unter den Konzernmarken gehört Cupra. Ein Plus von 7,5 Prozent steht 2024 beim Absatz der noch jungen spanischen VW-Tochter, die Seat ablösen wird. Cupra-Chef Wayne Griffith inszeniert sich als junger wilder Rebell, weiß aber genau, dass er ein gutgemachtes Nest vorgefunden hat: Cupra musste nicht bei null anfangen, sondern kann auf das Volkswagen-Händlernetz zurückgreifen. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber neuen Marken aus den USA oder China.
Und schließlich: VW als Kernmarke des Konzerns hat jetzt wohldosiert erste Informationen und noch sehr schattiges Bildmaterial über sein neues elektrisches Einstiegsmodell veröffentlicht – ein Auto, das für rund 20.000 Euro laut Markenchef Thomas Schäfer „die Champions League des Automobilbaus“ sein soll. Damit soll der holprige Start des Konzerns ins Elektro-Zeitalter der Vergangenheit angehören. Softwareprobleme, Produktionsverzögerungen und eben Autos, die alles andere als Volkswagen waren, weil sie vom Preis her allenfalls als Boss-Wagen durchgehen, sind dann keine Schlagzeile mehr wert. Damit alles wirklich klappt, kommt das Einstiegsmodell allerdings wohl erst in zwei Jahren. Immerhin gelang in diesen Tagen der Coup, erste Umrisse des Modells zu zeigen. Die Neugier steigt. Die deutschen Hersteller sind weit davon entfernt aufzugeben.
Fazit
Die deutschen Premiumhersteller stehen besser da, als es sich an ihrem Aktienkurs ablesen lässt. VW ist in Europa mit Abstand Marktführer und damit höchst wettbewerbsfähig. Die Konzerne können den Umbau aus eigener Kraft stemmen.
Autor
Korrespondent Deutschland