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Allianz-Vorstand: Ohne Klimaschutz wird's teuer

Exklusiv-Interview für Börsianer Grün: Allianz-SE-Vorstand Günther Thallinger verfügt über 750 Milliarden Euro an Assets. Warum ihn der ESG-Backlash kalt lässt, er Klimaschutz als Wachstumstreiber sieht und welche neue Portfolio-Ziele der weltweit tätige Versicherer verfolgt.

Veröffentlicht

06.06.2025

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4 min
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Günther Thallinger, Vorstand der Allianz SE, verantwortlich für nachhaltige Investments und Klimastrategien. Er meint: Trotz globalen Gegenwind: Die Allianz SE würde die klimafreundliche Transformation des Investmentportfolios vorantreiben.

Herr Thallinger, die USA werden jetzt von Klimawandelleugnern regiert. Wieso lohnt es sich weiterzukämpfen? Günther Thallinger: Auch in den USA gibt es weiterhin vielfältige Stimmen in Politik und Gesellschaft. Klimawandel und Zerstörung der Natur sind weit fortgeschritten. Maßnahmen für eine Transforma­tion der Wirtschaft haben Experten in allen Details dargestellt. Die klimafreundliche Transformation der Wirtschaft ist ein langfristiger Prozess. Beides wissen wir. Auch wenn bestimmte politische Programme aktuell andere Prioritäten setzen, müssen wir unserem Wissen entsprechend kommunizieren und handeln.

Die US-Finanzwirtschaft, aber auch einige andere Investoren hängen doch die Segel in die politische Windrichtung. Nachhaltige Investments gingen zuletzt zurück. – Die Akzeptanz von Finanzprodukten am Markt hängt von vielen Faktoren ab. Es ist wichtig, dass die Attraktivität bestimmter Produkte gut kommuniziert wird.

Die Transformation ist billiger als die Anpassung – und viel ­billiger als die Schäden.
Günther Thallinger

Es geht darum, ob Nachhaltigkeit am Ende des Tages auch mehr Rendite bringt. – Ohne eine Sicht auf Nachhaltigkeit werden Unternehmen mit überhöhten Energiekosten arbeiten müssen und womöglich Stranded Assets zu verarbeiten haben. Es heißt, die langfristige Performance wird schwach sein im Vergleich zu den Unternehmen, die Nachhaltigkeit verfolgen.

Die Allianz SE ist selbst auf Druck einiger US-Bundesstaaten aus der Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) ausgestiegen. Ist das nicht als Zeichen des Nachgebens zu werten? – Generell gilt: Die Zusammenarbeit von Politik, Unternehmen und Finanzwirtschaft ist notwendig, damit Unternehmen das Wissen und die Technik zur Integration von Nachhaltigkeit in ihrer Entscheidungsfindung nutzen können. Ziele sowie Maßnahmen muss jedes Unternehmen unabhängig für sich selbst setzen, definieren und implementieren. Insbesondere Versicherer wie die Allianz haben weiterhin sehr anspruchsvolle Net-Zero-Programme definiert.

Also keine Abkehr vom bisherigen Kurs beim Klimaschutz? – Ja, absolut!

Mit mehr als 750 Milliarden Euro Veranlagungsvermögen sitzt die Allianz SE als einer der größten institutionellen Investoren der Welt an großen Schalthebeln. Wie setzen Sie die ein? – Ende 2024 hielten wir 172 Milliarden Euro in nachhaltigen Anlagen. Wir haben uns das quantitative Ziel gesetzt, die Investitionen in emissionsarme Lösungen bis 2030 im Vergleich zum Jahresende 2023 auf 57 Milliarden Euro zu erhöhen, was einer Steigerung von 20 Milliarden Euro entspricht. Hier sind wir gut unterwegs. Zum Jahresende 2024 stehen wir bei 43,5 Milliarden Euro Investitionen in emissionsarme Lösungen, was einem Anstieg von 6,5 Milliarden Euro zum Vorjahr entspricht.

Und wie steuern Sie, dass das klimafreund­licher wird? – Für unsere Portfolioziele gibt es im Allgemeinen zwei Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen: Entweder verringern unsere Portfoliounternehmen ihre Treibhausgasemissionen, oder wir ändern im Laufe der Zeit die Zusammensetzung unseres Portfolios.

Das heißt, Sie üben als Investor auch Druck auf die Transformation der Unternehmen aus, bei denen Sie investiert sind. Können Sie da ein Beispiel nennen? – Viel wichtiger ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen, in die wir Gelder unserer Versicherten investieren. Wir ermutigen und unterstützen sie dabei, die Risiken und Chancen für ihre Geschäftstätigkeit anzugehen. Wir haben viele konkrete Beispiele, in denen Unternehmen entsprechende Maßnahmen ergriffen haben, etwa interne CO2-Bepreisung, quantifizierte Transformationspläne sowie Arbeitssicherheit als Teil der Vorstandsvergütung, um nur drei zu nennen.

Und wie messen Sie den Impact? – Unser Ansatz bewertet Investitionen anhand von drei Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Investition als nachhaltig gilt: positive ökologische und soziale Ziele, die Einhaltung des Prinzips „keinen signifikanten Schaden anrichten“ und gute Unternehmensführung.

Klingt gut, können Sie das bitte konkretisieren? – Die spezifischen Anforderungen zur Erfüllung der einzelnen Kriterien variieren je nach Anlageklasse. Zur Berechnung der finanzierten Emissionen betrachten wir derzeit Unternehmen, Staatsschulden und Immobilien. Wir verwenden den Ansatz der Net-Zero Asset Owner Alliance, der in deren viertem Targeting Setting Protokoll beschrieben ist und auf vier wichtige Hebel fokussiert: Dekarbonisierung des Portfolios, Dekarbonisierung von Sektoren, Investitionen in Klimalösungen und Engagement. Ein konkretes Beispiel: Die von uns finanzierten Emissionen börsennotierter Unternehmen belaufen sich Ende 2024 auf 12,3 Millionen Tonnen CO2-Equivalent – im Vergleich zu 24,9 Millionen Tonnen CO2-Equivalent im Jahr 2019.

Es gibt einige Technologien im Versuchsstadium wie Carbon Capture oder Fusionsenergie. Welche neuen Technologien finden Sie spannend? - Wir sehen uns viele neue Entwicklungen an. Teilweise investieren wir in einem frühen Stadium. Voraussetzung ist immer ein passendes Risiko-Rendite-Profil.

In Deutschland und Österreich hört man zunehmend, dass die Klimaschutzbemühungen unsere Wettbewerbsfähigkeit bremsen. Schafft weniger Klimaschutz mehr Wettbewerbsfähigkeit? – Nein, eine Transformation der Wirtschaft hin zu erneuerbarer und daher billigerer Energie, zu zyklischem Wirtschaften und daher zu weniger Wegwerfen ist gerade für Österreich und Deutschland eine sehr willkommene Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu steigern. Die gegenwärtige Wirtschaft ist zu teuer und belastet den Planeten weit über ökologische Grenzen hinaus. Öl und Gas importiert man einmal und verbrennt es. Mineralien und Metalle, wie sie für saubere Technologien verwendet werden, sind unendlich oft wieder nutzbar und recycelbar. Ein Weiter-wie-bisher funktioniert auch deshalb nicht, weil die Kosten für klimaverursachte Schäden und die Anpassung an immer extremere Klimaphänomene viel zu teuer wird. Die Transformation ist billiger als die Adaption und die Zahlung der Schäden für die unvermeidbare Zerstörung. Nach der Transformation ist die Wirtschaft günstiger und sauberer zu betreiben.

Der EU-Omnibus weicht jetzt die Bericht­erstattung auf, die Investoren wie Sie eigentlich für das Transformationsgeschäft brauchen. Geht das in die richtige Richtung? – Die Nachhaltigkeitsberichterstattung über die EU-Richtlinie CSRD ist ein guter Schritt. Jetzt kann eine Verbesserung durch Reduktion und Harmonisierung der geforderten Kennzahlen diskutiert und umgesetzt werden. Wichtig ist: Wir brauchen eine Integration von Finanz- und Nachhaltigkeitskennzahlen. Ein Gesamtpaket an Steuerungsinformationen muss bereitgestellt werden. CSRD geht klar in diese Richtung.

Was gibt Ihnen Hoffnung, dass wir die Erd­erwärmung noch in erträglichem Maß eindämmen? – Zukünftige Generationen werden den Auswirkungen der Erderwärmung am stärksten ausgesetzt sein. Die heutige Generation von Entscheidungsträgern kann jetzt versuchen, ein Leben ohne Veränderungen zu führen, jedoch mit sehr harten Rückschlägen in naher Zukunft, oder sie kann den künftigen Generationen viel Arbeit ersparen. Ich zähle auf rapid fallende Kosten für Photovoltaik, Windenergie und Batteriespeicher – und auf die Vernunft der heutigen Entscheidungsträger.

VITA
Günther Thallinger, Vorstand Allianz SE

Der gebürtige Grazer (52) ist als Vorstand der Allianz SE für Investments und Nachhaltigkeit verantwortlich. Als studierter Mathematiker jongliert er von jeher mit Zahlen, Der leidenschaftliche Tourenskigeher engagiert sich beim Thema Klimawandel.

Daniel Nutz

Autor

Daniel Nutz

Chefredaktion

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