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Alpla-CEO Philipp Lehner: Essen wir täglich eine Kreditkarte? Nein!

Alpla-Group-CEO Philipp Lehner erklärt, welche Probleme Verpackungen lösen können, warum für ihn PET-Flaschen verantwortungsvoll sind und wo Kreislaufwirtschaft in seiner Branche funktioniert.

Veröffentlicht

13.05.2025

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CEO Alpla Group
© Alpla Group
Die Verpackungsindustrie buhlt mit der Textil- und Automotiveindustrie um den Plastikmüll: "Wenn die Baumwoll­ernte schlecht war, macht ein H&M vielleicht auch gern mehr T-Shirts aus Kunststoff­flaschen", sagt Philipp Lehner.

Herr Lehner, der weltweite Plastikmüll hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten auf 360 Millionen Tonnen pro Jahr versiebenfacht. Haben wir ein Verpackungsproblem? – Philipp Lehner: Vielleicht sollten wir uns zuerst fragen, welche Probleme Verpackungen lösen können. Denn Verpackung ermöglicht sicheren, leistbaren und nachhaltigen Konsum. Speziell die Kunststoffverpackung. Das gehört zum Lebensstandard dazu.

Inwiefern? – Wenn man will, dass etwa die Gurken im Supermarkt länger halten und man verschiedene Produkte für Konsumenten zielgerichtet hinstellen kann, damit die Verbraucher auch mehr Flexibilität im Zeitpunkt des Konsums haben, dann ergibt es Sinn, die Gurke zu verpacken. Verpackung erweitert den Lebenszyklus von drei Tagen auf zwei Wochen, das ist immens. 40 Prozent der Lebensmittel, die produziert werden, verderben. Da hilft Verpackung, das zu vermeiden. Deshalb gibt es unser Unternehmen.

Ich sehe es als unseren Auftrag, sichere, leistbare und nachhaltige Verpackungen zur Versorgung der Weltbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Es lebt ja nicht jeder in der schönen Welt Österreichs, wo man den Wasserhahn aufdreht, und dann fließt sauberes Wasser raus.
Philipp Lehner
CEO Alpla Group

Das löst aber nicht das Problem der Millionen Tonnen an Verpackungsmüll. – Natürlich gibt es Probleme zu lösen. Mit dem Anstieg der Weltbevölkerung und dem steigenden Weltwohlstand konsumieren wir mehr, und das führt zu mehr Verpackungsmüll. Aber manchmal ist die Verpackung eben notwendig. Ich kann mich an eine Diskussion vor sechs, sieben Jahren in Wien erinnern, da wurde ich gefragt, wie ich es verantworten kann, Kunststoffflaschen in Mexiko herzustellen, wo die doch nicht sammeln? Und da meinte ich: Ganz gut, weil dadurch sind die Leute hydriert. Es lebt ja nicht jeder in der schönen Welt Österreichs, wo man den Wasserhahn aufdreht, und dann fließt irgendwie mineralhaltiges, gesundes und sauberes Wasser raus. Allerdings gibt es Verpackungen, die sind leichter zu recyceln, weil sie Mehrwert haben.

Haben Sie ein Beispiel? – Wasserflaschen aus PET sind die am meisten gesammelten Wertstoffe auch in Ländern ohne Infrastruktur, weil dieser Kunststoff leicht und werthaltig weiterverarbeitet werden kann. Eines der Ziele wird sein, Produkte zu designen, die Verpackungen haben, die leistbar und kosteneffizient sind und recycelt werden können. Weil dann kümmert sich jemand in der Supply-Chain darum, diese Produkte einzusammeln, damit er sie verkaufen kann und damit Lebenseinkünfte generiert. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist Südafrika. Dort bauen wir gerade ein Recyclingwerk auf. Da sammeln wir 60.000 Tonnen PET-Müll von Getränkeverpackungen, und dafür werden 10.000 Leute ein Lebenseinkommen generieren, das dreimal so hoch ist wie der Mindestlohn. Das sind die coolen Sekundäreffekte, die meine Arbeit so spannend machen und einen Impact erzeugen.

Herstellung
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Die PET-Preforms werden in einem zweistufigen Verfahren zu einer PET-Flasche aufgeblasen.

Ist es verantwortungsvoll, PET-Flaschen in Ländern zu verkaufen, wo es kein Recycling gibt? – Ich sehe es als unseren Auftrag, sichere, leistbare und nachhaltige Verpackungen zur Versorgung der Weltbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Dabei sind alle Aspekte wichtig, sie werden aber von Region zu Region unterschiedlich gewichtet. In Ländern mit Unterversorgung oder ohne Wasserinfrastruktur sind sichere und leistbare PET-Flaschen zur Versorgung lebensnotwendig. Dazu gibt es keine Alternative. Wenn es dort ein funktionierendes Sammel- oder Verwertungssystem gibt, umso besser. Jedoch erfolgt der Zugang nicht über dieses System, sondern in erster Linie über den Bedarf und die Nachfrage. Das ist wichtig zu verstehen, wenn von Nachhaltigkeit und Verantwortung gesprochen wird.

Stichwort Mikroplastik – was macht es, und was ist die Konsequenz daraus? – Das wissen wir noch nicht. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit. Wer am lautesten brüllt, wird gehört, und das Thema Mikroplastik erlebt eine Renaissance. NGOs preschen vor und sagen, wir essen täglich eine Kreditkarte. Das ist erwiesenermaßen falsch. Man müsste mehrere Tausend Jahre leben, dann kommt man auf eine Kreditkarte. Und es gibt bisher keine seriöse, aussagekräftige Studie zu den Auswirkungen. Das ist ein bisschen wie bei Spinat. Da wurde vor vielen Jahren gesagt, Spinat hat Eisen und darum ist er gesund. Später kam heraus, dass es in den Berechnungen Fehler gab, und deshalb war Spinat nicht mehr relevant.

Schmeckt aber trotzdem gut. – Das stimmt. Es hat aber nie jemand gesagt, esst Spinat, weil er so gut schmeckt.

Die Kunststoffverpackung ist in 95 Prozent der Fälle, in denen wir aktiv sind, immer die beste, weil sie die sicherste, die leistbarste und die nachhaltigste Lösung ist.
Philipp Lehner
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Was ist eine gute Verpackung? – Die Kunststoffverpackung ist in 95 Prozent der Fälle, in denen wir aktiv sind, immer die beste, weil sie die sicherste, die leistbarste und die nachhaltigste Lösung ist. Und beim Kunststoff muss man drei Dinge in Einklang bringen: Die Verpackung muss dem Konsumenten gefallen, also ästhetisch ansprechend sein, beim Verwenden muss Freude aufkommen, sie muss leistbar sein und nachhaltig, also CO2-optimiert, produziert in der Supply-Chain. Derzeit kostet die Verpackung fünf bis sieben Cent, da ist in der Standardkategorie mit Verschluss und Label alles dabei. Nachhaltigkeit ging in den letzten Jahren mit Kosteneffizienz einher.

Alpla Group
In den Werken der Alpla Group werden pro Jahr etwa 1,8 Millionen Tonnen Material verarbeitet, 23 Prozent davon sind Recyclingmaterial. Der größte Markt ist Westeuropa mit mehr als einem Drittel Umsatzanteil, auf Länderebene ist die USA der größte Einzelmarkt nach Umsatz. 2024 wurde ein Umsatz von 4,9 Milliarden Euro erzielt. Pro Jahr werden über 389.000 Tonnen installierte und projektierte Output-Kapazitäten an recyceltem Material aus eigenen Werken hergestellt. Bis 2030 soll das auf 700.000 Tonnen erhöht werden. 50 Millionen Euro werden dafür jährlich investiert.

Gibt es neue Produkte, die Sie herstellen ohne Recyclinganteil? – Die gibt es sicher. Es gibt Regionen in China oder Indien, da haben die Leute noch andere Probleme als: Wie viel PCR packe ich in mein Produkt? Da ist das nicht relevant. PCR steht für Post-Consumer-Recyclinganteil, und in 95 Prozent der Märkte kommt es mit einem Premiumpreis. Da ist die Frage, will ich das meinen Konsumenten antun. In Europa enthalten die meisten Produkte PCR. Es sind auf jeden Fall mehr Kosten, die ins System reingetragen werden. Technisch sind 100 Prozent Recyclingmaterial möglich. Die Frage ist, wie viel wollen Sie für ihr Shampoo zahlen und wie viel Preiselastizität hat unser Kunde mit seinen Konsumenten.

Jedes Land ist unterschiedlich. In Indien ist die Kaufkraft einfach nicht da. Dort nimmt man Verpackungsmittel, die am günstigsten sind, aber auch nicht den größten Mehrwert bringen. Da sind wir dran, Lösungen zu entwickeln, dass man die Formate umdesignt in Verpackungen, die Mehrwert haben, aber gleichzeitig sicher und leistbar sind. Eine weitere Lösung ist, dass wir Kunden nur eine Rezyklatoption geben. Wir wählen Märkte aus, in denen wir selbst Recycling und Sammlung betreiben, immer in Abhängigkeit von dem, was besteht und unsere Kunden wollen.

Die Coca-Cola-Flasche hat vor 20 Jahren 40 Gramm gewogen, jetzt wiegt sie in manchen Fällen in der gleichen Einheitsgröße nur noch 18 Gramm. Das macht man aus Kostengründen und aus Sustainability-Gründen, weil weniger Material ist besseres Reporting für die ganzen Brüsseler Showcases.
Philipp Lehner
CEO Alpla Group

Wer sind Ihre Kunden? – Alle großen Player des Konsumgeschäfts. Wir arbeiten mit den Procter & Gambles, mit den Unilevers, den L’Oreals dieser Welt zusammen. Das Thema Nachhaltigkeit wird hauptsächlich von den Brands getrieben. Wir beraten und servicieren auch sehr in die Richtung, welche Materialen und Verpackungen im Kreislauf geführt werden können. Die großen Konsumgüterfirmen suchen auch aktiv Ideen und Input von uns. Da geht es um Materialen und Farbpigmente, wie man Sammlung organisieren und danach verarbeiten kann. Ein großes Nachhaltigkeitsthema ist die Gewichtsreduktion.

Zum Beispiel? – Die Coca-Cola-Flasche hat vor 20 Jahren 40 Gramm gewogen, jetzt wiegt sie in manchen Fällen in der gleichen Einheitsgröße nur noch 18 Gramm. Und das sind nur Zyklen der Verbesserung, die stattfinden, wenn man Wettbewerb hat. Jetzt macht man es halt aus Kostengründen und aus Sustainability-Gründen, weil weniger Material ist besseres Reporting für die ganzen Brüsseler Showcases, die sie haben wollen, Stichwort CSRD und so weiter. Und da leisten wir einen großen Beitrag, weil wir prozesstechnisch, technologietechnisch in unserem Segment ganz weit vorn spielen. Unser Markt ist 50 Milliarden Euro groß, wir machen jetzt fünf Milliarden Euro Umsatz. Also reden wir da von zehn Prozent Marktanteil.

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Es gibt Regionen in China und Indien, da haben die Leute noch andere Probleme als: Wie viel PCR packe ich in mein Produkt?, sagt Philipp Lehner.

Gehen Sie nur in Länder, in denen Kreislaufwirtschaft funktioniert? – Wir gehen dorthin, wo der Kunde ist und wir auf der Verpackungsseite servicieren können. Beim Recyclinggeschäft gehen wir dorthin, wo wir Mehrwert erzielen können, und wir müssen natürlich schauen, was lokal möglich ist. Es kann sein, dass gewisse Materialtypen noch nicht bedient werden. Aber die Nachfrage muss da sein. Recyceln kann man viel, aber ohne Absatzmarkt tue ich mir schwer, als Firma zu überleben. In Brasilien haben wir 2024 eine Firma übernommen, bei der wir unsere Technologie draufstülpen. Damit bieten wir jetzt ein größeres Produktspektrum an recyceltem Material an, weil unsere Kunden, die wir mit Verpackungen schon bedienen, nach mehr recycelten Optionen gefragt haben.

Das klingt stark nach einem Local-for-local-Ansatz. – Ja, das geht in die Richtung. Material reist ein bisschen besser als hergestellte Kunststoffverpackung, das kann man schon 1.000 Kilometer verschicken. Bei der Kunststoffverpackung sind es 150 Kilometer. Es gibt Märkte, da funktioniert das rudimentärer, da wird nicht Flasche zu Flasche verarbeitet, sondern vielleicht Flasche zu Teppich oder Flasche zu Vorhang. Und wenn die Baumwollernte in Bangladesch schlecht war, dann macht ein H&M vielleicht auch gern mehr T-Shirts aus Kunststoffflaschen, weil es billig ist.

CEO Alpla Group
Vita
Bevor der Enkel des Firmengründers 2015 ins Familienunternehmen eingestiegen und im Jänner 2021 schließlich zum CEO aufgestiegen war, wollte der gebürtige Vorarlberger etwas Eigenes machen, studierte in China, London und Boston und arbeite bei McKinsey in Hamburg. In weniger als zehn Jahren will der leidenschaftliche Motorradfahrer die weltbeste Papierflasche am Markt haben.

Das ist dann große Konkurrenz für Sie? – Das ist eine Riesenherausforderung, weil es die Preise nach oben treibt. Deshalb ist der Markt auch relativ volatil. Kunststoff ist grundsätzlich sehr versatil einsatzfähig, da matchen sich Automotive, Textilwirtschaft und Verpacker.

Alpla betreibt 200 Produktionswerke in 46 Ländern. Wie bauen Sie eine Präsenz in einem neuen Land auf? – Wir begleiten einen Ankerkunden. Früher hat das 80 Prozent ausgemacht, da waren die Volumina noch einheitlicher, und die großen Volumina waren verfügbarer. In den meisten großen Märkten sind wir mit diesem Großvolumen jetzt schon involviert. Bei neuen Märkten macht das Ankergeschäft 30 bis 40 Prozent aus. Es gibt die Perspektive, die nächsten 30 bis 40 Prozent da draufzupappen. Dafür lassen wir uns drei bis vier Jahre Zeit, um in der Produktionsstätte auf 80 bis 100 Prozent Auslastung zu kommen. Da macht das Geschäft dann Spaß.

Wir wollen in den Pharma- und Fasermarkt einsteigen. Wir haben viel vor. Von der Marktseite müssen wir uns vor allem das Brot im Fasermarkt noch hart verdienen.
Philipp Lehner
CEO Alpla Group

Wo liegen für Sie als Unternehmenschef die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren? – Wir sind einer der größten Player in einem fragmentierten Markt, und da vom Standort Österreich aus kosteneffizient zu arbeiten ist ein Riesenthema. Wir hatten in den letzten vier Jahren über 30 Prozent Inflationsanpassungen bei den Personalkosten. Das ist massiv, das ist mehr als zweimal so hoch als das, was die Welt gesehen hat. Die Suche nach den nächsten Wachstumsmärkten beschäftigt uns natürlich, es ist immer wieder eine spannende Aufgabe, sich als Technologieführer und erste Adresse zu etablieren. Wir wollen in den Pharma- und Fasermarkt einsteigen. Wir haben viel vor. Von der Marktseite müssen wir uns vor allem das Brot im Fasermarkt noch hart verdienen. Und die Anforderungen für Recycler werden beim Ressourcenmanagement höher, das hat mit dem Regulierungswahn in Brüssel zu tun. Das untergräbt natürlich die Wettbewerbs­fähigkeit, weil die Kosten steigen. Da müssen wir Prozesse neu denken in Richtung Strom- und Wasserverbrauch. Das ist ein Teil vom Wettbewerb. —

Das Interview mit Philipp Lehner erschien in der Börsianer Grün Ausgabe 2025.

Ingrid Krawarik

Autor

Ingrid Krawarik

Chefredaktion

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