Klimaschutz als Kostenfrage? Europas Industrie unter Druck
Veröffentlicht
Lesezeit
%0A&w=1920&q=75)
Der Plan war eigentlich die Schaffung eines grünen Wirtschaftswachstums und Hunderttausender Jobs. Die emissionsintensive Industrie wurde bei dieser grünen Transformation mit CO₂-Zertifikaten im EU-Emissionshandelssystem unterstützt. Die Forderung der Voestalpine AG und rund 80 europäischen Industrieunternehmen nach einer Verlängerung der kostenlosen Zertifikate ist mehr als ein industriepolitischer Appell – sie ist auch ein Symptom geopolitischer Ohnmacht. Denn Klimaschutz endet dort, wo die USA aussteigen. Und genau das geschieht derzeit.
Die Regierung unter Donald Trump hat zentrale Klimaschutzinstrumente der USA demontiert: Die Umweltbehörde EPA will die wissenschaftliche Grundlage für CO₂-Regulierung abschaffen, die durch den Inflation Reduction Act eingeführten massiven Förderprogramme für grüne Technologien laufen aus, und die Industriepolitik kehrt zurück zu fossilen Rezepten. Die USA senden ein klares Signal: Der Klimawandel wird verleugnet und Klimaschutz ist kein Wettbewerbsfaktor – sondern ein Kostenrisiko. In Europa (und weiten Teilen der Welt) sah man das bislang umgekehrt: Dekarbonisierung setzte Innovation frei, gestaltet die Zukunft und erzeugt neue Geschäftszweige. Wackelt jetzt dieser faktisch basierte Glaubenssatz?
Überblick Zertifikate
Kennzahl | Wert | Erläuterung |
Preis pro Tonne CO₂-Äquivalent | ca. €70-80/Tonne | Marktpreis für eine sogenannte EUA („Allowance“) im EU-ETS. |
Prognostizierter Preis bis 2030 | bis zu €130-150/Tonne | Analystenschätzungen für mittelfristige Entwicklung unter verstärktem Abbau der Emissionsrechte. |
Abbau der Emissionsrechte (Cap Reduktion) | ca. -4,3 % jährlich ab 2024 | Der „Linear Reduction Factor“ wurde angehoben, um die Emissionsmenge stärker zu senken. |
Einnahmen aus Versteigerung | z. B. €43,6 Mrd im Jahr 2023 | Einnahmenquelle für EU und Mitgliedstaaten aus dem ETS-Verfahren. |
Quelle: Trading Economics, cer.eu
Forderung der Industrie
Die europäische Industrie reagiert zu Recht mit einer Schutzforderung: Verlängerte Freizertifikate sollen die Wettbewerbsfähigkeit sichern und letztlich Investitionen in grüne Technologien absichern - die Voestalpine AG investiert derzeit etwa mehr als eine Milliarde Euro in die Entwicklung von grünem Stahl - und sogenanntes Carbon Leakage vermeiden. Schon jetzt leidet die europäische Industrie unter mehr als doppelt so hohen Energiekosten wie die USA, zusätzliche Mehrkosten wären schwer verkraftbar. An dieser schwachen Position Europas wird sich auch so bald nicht viel ändern.
Energiepreise im Vergleich
Region | Industrieller Strompreis (Referenz) | Industrieller Gaspreis (Referenz) | Bemerkung zur Wettbewerbsfähigkeit |
EU (Durchschnitt) | ca. €0,199 /kWh laut Industrieangabe für 2024. | Industrielles Gas in der EU ist mehr als das 4-fache der US-Preise. | Die EU-Industrie zahlt erheblich mehr – strukturelle Nachteile. |
USA | ca. €0,075 /kWh laut Angabe für Strom (Industrie) in 2024. | Industrielles Gaspreisniveau deutlich niedriger als in der EU (unter “ein Viertel” der EU Preise) | US-Industrie hat klaren Kostenvorteil bei Energie. |
Quelle: businesseurope.eu, CLEPA
Denn die EU wagt es, zumindest derzeit, nicht, Druck auszuüben. Sonderzölle auf CO₂-intensive US-Produkte? Undenkbar! Bereits im Zollstreit wurde klar, dass man die Karte EU-Binnenmarkt nicht zu spielen wagt. Der Plan, selbst als grüner Vorreiter voranzugehen und alle anderen anzuhalten, es gleichzutun, wenn sie am EU-Binnenmarkt verkaufen wollen, geht offenbar nicht auf. Die europäischen Rechtspopulisten drängen schon längst darauf – und tatsächlich mehren sich die Anzeichen, dass eine klimapolitische Rückwärtsrolle auch in Europa bevorsteht. Die Frage ist bloß, wie krass sie wird.
Die Guten werden enttäuscht
Doch genau hier liegt das Risiko: Wenn CO₂-Ausstoß weiterhin kostenlos bleibt, verliert der Emissionshandel seine Lenkungswirkung. Die Transformation wird verzögert, die Klimaziele rücken in gefährliche Ferne. Und ja, die Unternehmen, die in der Transformation besonders innovativ sind, und darauf hofften, dass das Angekündigte auch eingehalten wird, könnten als Betrogene dastehen. Letztlich brauchen auch Transformationsunternehmen wie die Voestalpine einen entsprechenden CO₂-Preis, um mit ihrem grünen Stahl gegenüber billigeren, aber klimaschädlichen Produkten reüssieren zu können. Am Ende muss die Frage stehen: Wird hier um Wettbewerbsfähigkeit gekämpft – oder um alte Geschäftsmodelle?

Autor
Chefredaktion
Mehr zum Thema #Voestalpine AG
Grüner Stahl: Anspruch und Realität
%0A&w=3840&q=75)
Feuer am Dach! Voestalpine-CEO warnt vor Wettbewerbsverlust
%0A&w=3840&q=75)
Raiffeisen-Holding NÖ-Wien: Kundenzentrierung als Erfolgsgeheimnis

Aktiendeals Manager in Kauflaune
%0A&w=3840&q=75)
Günstige Aktien: Zeit für Einstieg bei ATX-Werten?
%0A&w=3840&q=75)