Interview

Post-CEO: "Sagen Sie nicht Herr Generaldirektor"

Walter Oblin ist ein begnadeter Briefeschreiber und lenkt als CEO die Österreichische Post AG auch in risikoreichere Gegenden. Der Börsianer sprach mit dem gebürtigen Kärntner über sein Engagement in ehemaligen Sowjetrepubliken, warum er jetzt mit Pay Pal konkurriert und nicht Herr Generaldirektor genannt werden will.

Veröffentlicht

09.10.2025

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5 min
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Oblin steht in einem grauen Anzug vor einer Wand
© Österr. Post AG
"Immer da, wenn du uns brauchst“, lautet der Slogan der Österreichischen Post AG. Walter Oblin möchte das auf mehrere Geschäftsfelder ausweiten.

Herr Oblin, wann haben Sie zuletzt einen Brief verschickt? Walter Oblin: Fast täglich – geschäftlich und privat. Persönliche Briefe oder Karten stechen bei besonderen Anlässen aus der digitalen Masse heraus.

Ich frage deshalb, weil das Briefgeschäft seit 18 Jahren rückläufig ist. Die Dänen stellen ab Jänner keine Briefe mehr zu. Ist das auch hier denkbar? – In Dänemark wurde der Universaldienst abgeschafft. Aber keine Sorge, es wird nach wie vor Möglichkeiten geben, einen Brief von Österreich nach Dänemark zu schicken. Es gibt dort alternative Dienstleister, die Briefe aus dem Ausland zustellen. Für Österreich ist eine Einstellung der Zustellung kein Thema. Wir stellen nach wie vor rund 500 Millionen Briefe jährlich mit hoher Qualität zu.

Ist bei der Österreichischen Post das Geschäftsfeld Brief noch profitabel? – Ja, aber es ist unter Druck – wegen sinkender Mengen und steigender Personalkosten. Der durchschnittliche Privatkunde gibt zehn Euro im Jahr für Briefporto aus. Man bekommt dafür nicht einmal mehr zwei Cappuccinos in dieser Stadt.

Laut dem Postmarktgesetz ist die Österreichische Post verpflichtet, Briefe zuzustellen. Ist das Gesetz noch zeitgemäß? – Nein. Es stammt von 2009, als fast doppelt so viele Briefe verschickt wurden. Heute läuft kaum noch zeitkritische Kommunikation über den Brief. Digitale Kanäle haben vieles ersetzt. Die Politik zeigt Verständnis, und im Regierungsprogramm ist eine Reform bereits vorgesehen.

Unsere Kunden haben im Vorjahr 32 Millionen Pakete selbst abgeholt oder aufgegeben.
Walter Oblin

Sie haben die internationale Ausrichtung der Österreichischen Post weiter intensiviert. Wie entwickelt sich das Auslandsgeschäft? – Die Türkei ist für uns ein strategischer Brückenkopf in einer noch wenig erschlossenen Region. Von dort aus entwickeln wir Märkte wie Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan – gemeinsam mit türkischen E-Commerce-Plattformen.

Das sind allesamt ehemalige Sowjetrepu­bliken. Ist das nicht etwas riskant? – Nennen Sie mir einen Markt, der heute geopolitisch risikofrei ist.

Wie groß ist das Investment in den ­neuen Ländern? – Unser Modell ist bewusst kapitalschonend. Wir investieren wenig – es sind nur niedrige siebenstellige Beträge. Statt eigene Flotten zu betreiben, setzen wir auf lokale Zustellpartner und minimales Sortier-Equipment. So halten wir das Risiko gering. In Aserbaidschan etwa erwarten wir heuer einen siebenstelligen Umsatz – mit positivem Ergebnisbeitrag.

Rund 50 Prozent Ihrer Kosten in Österreich liegen beim Personal. Im Juli gab es 2,8 Prozent mehr. Wie geht sich da ein profitables Geschäft aus? – Die Lohnabschlüsse waren maßvoll, aber dennoch summierten sie sich in den vergangenen vier Jahren auf 25 Prozent, auf eine Basis von einer guten Milliarde Euro. Wir konnten nur einen Teil davon an den Markt weitergeben, den anderen Teil mussten wir durch Einsparungen und Wachstum kompensieren. Wir haben auch Instrumente wie die Teuerungsprämie, die die Regierung zur Verfügung gestellt hat, gut genutzt.

Ein Chart der Post Aktie
© Baha Data
Die Aktie der Österreichischen Post AG notiert in etwa im gleichen Niveau wie vor einem Jahr.

Sie haben Post Pay eingeführt. Der Markt ist mit Klarna oder Pay Pal bereits stark besetzt. Wo liegt Ihr Vorteil? – Post Pay ist eine moderne, digitale Variante der Nachnahme. Kunden bezahlen erst, wenn das Paket in den Händen der Post ist oder direkt beim Zusteller. Das schafft Vertrauen, besonders bei unbekannten Onlinehändlern, und senkt die Kaufhürde. Für Händler bedeutet das: höhere Conversion-Rates, weil der Bezahlvorgang vereinfacht wird.

Und was ist Ihr USP? – Die Kombination aus Zustellung und Zahlung – beides aus einer Hand. Die Zahlung wird erst ausgelöst, wenn das Paket physisch übergeben wurde. Das bietet kein anderer.

Gibt es konkrete Ziele für Post Pay? – Wir pilotieren Post Pay derzeit erfolgreich auf unserem Marktplatz Shöpping.at mit aktuell rund 1.000 Händlern. Bis Jahresende wollen wir zwei bis drei große Partner gewinnen, die es fix in ihren Online-Shops integrieren.

Könnte das auch der Bank 99 nützen? – Nicht direkt, aber es zeigt, wie wir unser Ökosystem erweitern. So wie die Bank auf der Infrastruktur der Post aufbaut, überträgt auch Post Pay die Marke Post in ein neues Feld. Da bleiben wir unserem neuen Claim treu: „Immer da, wenn du uns brauchst.“

Die Bank 99 als Bank für jedermann hat jetzt den Break-even erreicht. Wie geht es weiter? – Wir sind eine Bank für 99 Prozent der Österreicher, also für Menschen, die kein Private Banking brauchen, aber ein verständliches, verlässliches Angebot. Unser Vorteil ist die Kombination aus digitaler Wettbewerbsfähigkeit und persönlichem Kontakt, wenn gewünscht. Dank der Post-Infrastruktur können wir Filialen zu deutlich geringeren Kosten betreiben, weil wir sie mit Post- und Handelsservices teilen. Das macht uns effizienter, das können klassische Banken einfach nicht.

Als sehr digital wird die Bank 99 aber nicht wahrgenommen. – Wir sind sehr digital. Wir haben zwei Kernbanksysteme zusammengeführt und bieten beispielsweise Konsumkredite über einfache Online-Prozesse an. Die Bank gewinnt Auszeichnungen für ihren Kundenservice. Und das ist vielleicht noch die Überleitung zu einem anderen Thema: Dort, wo man Services mit echtem Mehrwert anbietet – einfach, verständlich und funktional –, werden sie von den Kunden auch gut angenommen. Ein Beispiel sind unsere Selbstbedienungsstationen. Unsere Kunden haben im Vorjahr 32 Millionen Pakete selbst abgeholt oder aufgegeben, weil es funktioniert, gut verfügbar ist und weil es ex­trem einfach ist.

Ein schönes Porträtbild Oblins in grauem Anzug
Walter Oblin
Der 1969 geborene Kärntner Walter Oblin ist seit Anfang Oktober 2024 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Österreichischen Post AG. Nach dem Studium des Wirtschafts­ingenieurwesens und Maschinenbaus an der TU Graz und einem MBA in den USA begann er seine Karriere 1994 bei McKinsey und war später bei einem deutschen Cleantech aktiv.

Auf Drei-Jahres-Sicht ist der Aktienkurs der Deutschen Post um 46 Prozent gefallen. Der Aktienkurs der heimischen Post liegt exakt auf demselben Niveau wie damals. Was sagt uns das über die Branche? – Wir sehen, dass viele Postgesellschaften durchaus kämpfen. Auch die italienische Post mit einem sehr starken Finanzdienstleistungsschwerpunkt ist erfolgreich. Trotz der Aktienkursentwicklung haben wir großen Respekt vor dem, was die Deutschen machen. Das ist ein erfolgreiches Unternehmen.

Sie peilen für 2025 ein Ebit von 200 Millionen Euro an. Ist dieses Ziel aufrecht? – Ja. Sonst hätten wir natürlich eine Gewinnwarnung gemacht.

Seit einiger Zeit gibt es unter den 20.000 Mitarbeitenden in Österreich das Du-Wort. Wie ist das angekommen? – Das war ein Leuchtturmsignal, eine hochwirksame Maßnahme für ein stärkeres Miteinander. Niemand muss mich unterwürfig mit Herr Generaldirektor grüßen. Und ich glaube, dass das Du-Wort auf allen Ebenen einen Unterschied gebracht hat. Natürlich braucht der eine oder die andere ein bisschen länger, um Distanz abzubauen. 99,9 Prozent der Mitarbeitenden haben das aber mittlerweile aufgenommen und fühlen sich sehr wohl damit.

Daniel Nutz

Autor 1

Daniel Nutz

Chefredaktion

Robert Winter

Autor 2

Robert Winter

Finanzjournalist

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