Gastkommentar

Wettbewerbsfähigkeit: ein österreichisches Fremdwort?

Preis und Qualität bestimmen den Erfolg einer Volkswirtschaft im internationalen Vergleich. Österreich hat sukzessive an Attraktivität verloren. Was wir dringend brauchen, ist eine Arbeitsmarktreform und Ideen für mehr Produktivität.

Veröffentlicht

19.12.2024

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© Stefan Burghart
Ökonom Peter Brezinschek hat Ideen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu heben.

Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen und löst in Europa Angst aus. Seine Ankündigung von zehn bis 20 Prozent Zöllen auf europäische Einfuhren schreckt die europäische Wirtschaft auf – nicht nur die Exporteure. Immerhin sind die USA der wichtigste Handelspartner der EU. Preis und Qualität bestimmen den Erfolg einer Volkswirtschaft. Nun zählt Österreich zu den europäischen Spitzenreitern hinsichtlich Forschung und Entwicklung mit 3,2 Prozent Ausgaben des BIP. Knapp 70 Prozent davon werden von den Unternehmen erbracht. Die Qualität unserer Produkte ist anerkannt. Allerdings treten auf den Weltmärkten immer mehr technologisch führende Anbieter auf, die uns Konkurrenz machen. Daher spielt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eine entscheidende Rolle.

"Brauchen eine ­Arbeitsmarktreform mit Anreiz zum ­Berufs- und Regionswechsel."

Doch hier hat Österreich in den vergangenen Jahren schon seit der Finanzkrise 2008 sukzessive an Attraktivität verloren, anfangs nur schleichend, seit der Pandemie beschleunigt. So hat sich nach Jahrzehnten des Rückgangs die Lohnquote, also der Anteil der Arbeitnehmereinkommen am BIP, in den letzten 15 Jahren von 64 Prozent auf 73 Prozent deutlich erhöht, dementsprechend hat sich der Anteil der Unternehmenseinkommen inklusive Vermögenseinkommen verringert. Durch europaweit hohe Lohnsteigerungen über der schon hohen heimischen Inflationsrate wurde massiver Kostendruck aufgebaut. Der Spielraum für neue Investitionen in Europa und Österreich ist durch den unterdurchschnittlichen Gewinntrend kleiner geworden. Das Produktivitätswachstum war in den USA seit 2008 mit 25 Prozent weit über dem europäischen und österreichischen mit jeweils plus 13 Prozent.

Warum geht Wettbewerbsfähigkeit zurück?

Allerdings ist die Wertschöpfung pro Beschäftigten seit 2019 sogar zurückgegangen. Die mangelnde Qualifikation von Arbeitskräften offenbart auch das Mismatch zwischen über 150.000 offenen Stellen und 370.000 Arbeitslosen. Die Inflation hat insbesondere bei den Energiepreisen und Lohnsteigerungen höhere Belastungen für heimische Unternehmen im internationalen Vergleich gebracht. Österreich ist daher seit der Finanzkrise von Rang elf auf Position 26 im Wettbewerbsranking der Schweizer IMD von 67 Ländern abgerutscht.

Wo liegen daher die Stellschrauben für unsere Wettbewerbsfähigkeit? Um technologischen Vorsprung zu behaupten, sind die Ausgaben in (Aus-)Bildung so zu priorisieren, dass die MINT-Berufe gefördert werden. Eine Arbeitsmarktreform mit Anreiz zum Berufs- und Regionswechsel sowie mit degressivem Arbeitslosengeld ohne Zuverdienst, eine Flat-Tax-Einführung für den breiten Mittelstand bis etwa 70.000 Euro Jahreseinkommen, damit auch Vollzeitarbeit gegenüber Teilzeit nicht benachteiligt wird. Damit einhergehend eine Abgabenverringerung auf den Faktor Arbeit und eine strikte Ausgabenbremse zur Budgetsanierung, somit auch eine Abschaffung der Indexierung flächendeckender Sozialleistungen und Konzentration auf Bedürftigkeit.

Welche sind die größten Hebel?

Zur Produktivitätsanhebung braucht es eine Beschleunigung der Digitalisierung sowohl bei öffentlicher Infrastruktur als auch bei Unternehmen, bessere Start-up-Finanzierung, Förderung von Innovation durch Ausbau der privaten sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen und über Investitionsbegünstigungen. Der größte Hebel ist aber die überbordende Bürokratie. Beschleunigte Genehmigungsverfahren, Auflagenentrümpelung, vereinfachte Rechtswege und abgespeckte Nachhaltigkeitsberichte sind erforderlich. Die neue Regierung braucht nur ins Handeln kommen!

Peter Brezinschek

Autor

Peter Brezinschek

Börsianer-Chefökonom

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