Kommentar
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Börsianer-Chefökonom Trump ist Dealmaker und kein verbohrter Ideologe

EU-Verhandler haben gute Argumente, auf Zollanhebungen des US-Präsidenten bei EU-Waren mit Zolldrohungen auf US-Dienstleistungen in der EU zu antworten, schreibt Börsianer-Chefökonom Peter Brezinschek im neuen Börsianer Magazin.

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10.03.2025

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Chefökonom Börsianer
© Stefan Burghart/Börsianer

Vor seiner Wahl bezeichnete Donald Trump das Wort Zoll als das schönste Wort im Wörterbuch. Jenseits der US-Grenzen begann das große Zittern. Und bald nach seiner Amtsübernahme kündigte der 47. US-Präsident gegenüber Mexiko und Kanada 25%ige Zölle an, bei China eine weitere 10%ige Zollerhöhung. Europa behandelt die USA unfair, und wird daher auch in sein Visier kommen, meldete Trump.

Um den Freihandel ist es schlecht bestellt, denn Protektionismus hat auch außerhalb der USA Hochsaison.
Peter Brezinschek
Chefökonom Börsianer

Protektionismus hat Hochsaison

Um den Freihandel ist es schlecht bestellt, denn Protektionismus hat auch außerhalb der USA Hochsaison. Dass ist sehr betrüblich, denn schon vor über 200 Jahren hat der portugiesisch-stämmige Engländer David Ricardo die Theorie des komparativen Kostenvorteils entwickelt. Er versuchte die Engländer zu überzeugen, dass die Agrarzölle schädlich sind, selbst wenn andere Länder billigere Importe liefern. Jedes Land sollte jene Produkte produzieren, wo die Arbeitsproduktivität jeweils am höchsten ist. Im Falle Englands war dies bei Textilien und Maschinen der Fall, bei Portugal Wein und andere Lebensmittel. Das Revolutionäre seiner Theorie war, dass der internationale Handel selbst für Länder Wohlstandsgewinne bringt, wenn sie in allen Güterkategorien wie England gegenüber dem Handelspartner teurer produzieren. Ein überzeugenderes Argument für den Freihandel gibt es nicht.

Durch Freihandel weg von Armutsfalle

Und die Erfolgsgeschichte der Globalisierung seit den 1980er Jahren war ein schlagender Beweis für die gegenseitigen Wohlstandsgewinne sowohl der Industrie- und Dienstleistungsnationen wie der Schwellenländer. Ben Bernanke nannte diese lange Periode „The Great Moderation“, also stabiles beachtliches Wirtschaftswachstum bei ausbleibender Inflation. Über 2 Milliarden Menschen – großteils in Asien – entkamen der Armutsfalle.

Die Angst in der EU vor Trumps Zollplänen lässt sich daher durch eine simple Argumentation ausräumen.
Peter Brezinschek
Chefökonom Börsianer

Doch diese beeindruckende Performance des Freihandels überzeugt Trump nicht. Daher schreckt seine Ankündigung von 10 bis 20% Zöllen auf europäische Einfuhren die europäische Wirtschaft auf. Denn die USA sind mit Exporten von über 500 Milliarden Euro (2023) der wichtigste Handelspartner der EU. Für Österreich sind die USA zweitwichtigster Absatzmarkt mit Ausfuhren von knapp 15 Milliarden Euro (2023). Berechnungen des Münchner ifo-Instituts, dass durch die Einführung von 25% Zoll auf Warenlieferungen aus Mexiko und Kanada nicht nur deren Exporte um 35% und 28% zurückfallen werden, sondern auch die US-Exporte aufgrund der Wirtschaftsverflechtung um 22% leiden würden, haben Trump nicht beeindruckt, wohl aber die Kooperation beider Länder in der Migrationsfrage. Und damit waren die Zölle bereits wieder ausgesetzt.

Die Konstante der Unberechenbarkeit

Wie schon in seiner ersten Amtszeit, die einzige Konstante bei Trump ist seine Unberechenbarkeit. Und Trump hat eine völlig verkürzte Sichtweise, die sich nur auf die Warenbilanz fokussiert, die immer wichtigeren Dienstleistungen und Einkommensströme aber total ignoriert. Die Angst in der EU vor Trumps Zollplänen lässt sich daher durch eine simple Argumentation ausräumen. Auf Trumps eingeschränkten Blick auf das Handelsbilanzdefizit der USA mit der EU (von 215 Milliarden Euro 2023) können die EU-Vertreter leicht kontern, weil die EU gegenüber den USA in der Dienstleistungsbilanz ein Defizit von 114 Milliarden Euro (2023) aufweist. Hier sind die Überschüsse großer US-Unternehmen, wie Apple, Microsoft, Google, Pfizer, Merck, Meta inkludiert. Nimmt man noch die Einkommens- und Vermögensbilanz hinzu, dann reduziert sich das US-Defizit mit der EU auf magere 20 Milliarden Euro! Die Erträge amerikanischer Investoren in EU sind also um vieles höher als jene der Europäer in den USA. 2019 - in Trumps erster Amtszeit - existierte noch ein Ungleichgewicht von 143 Milliarden Euro zulasten der USA.

Eine vollständige Betrachtung der Zahlungsbilanz würde zeigen, es gibt kein ernsthaftes außenwirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen USA und EU!
Peter Brezinschek
Chefökonom Börsianer

Gute Argumente für EU-Verhandler

EU-Verhandler haben also gute Argumente auf Trumpsche Zollanhebungen bei EU-Waren mit Zolldrohungen auf US-Dienstleistungen in der EU zu entgegnen. Eine starke Beschneidung der Gewinne der US-Pharma und Technologie-Unternehmen wird Trump mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisieren und sich auf seinen Haupt"feind" China konzentrieren. Eine vollständige Betrachtung der Zahlungsbilanz würde zeigen, es gibt kein ernsthaftes außenwirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen USA und EU!

TTIP, und was fair und unfair ist

Die EU ist aber selbst schuld, dass sie 2013 das Obama-Angebot des transatlantischen Handelsabkommens TTIP vor über 10 Jahren nicht unterzeichnet hat. Vielleicht lernt man in Deutschland und Österreich, wo der Widerstand besonders ausgeprägt war, jetzt dazu, und schlägt ein "TTIP 2" zum Wohle der EU und der USA vor. Das wäre inflationssenkend und würde somit mehr Zinssenkungsspielraum in beiden Räumen eröffnen.

Und etwas entgegenkommen sollte die EU den USA auch, denn Trumps EU-Etikette „unfair“ hat einen wahren Kern. Die EU verzollt US-Waren mehr als umgekehrt. So werden amerikanische Autos mit 10% Zoll belegt, EU-Autos von den USA aber nur mit 2,5%! Win-Win Argumenten ist Trump durchaus aufgeschlossen. Nicht vergessen, Trump ist Deal-Maker und kein verbohrter Ideologe. Die Freihandelsskepsis ist leider nicht bloß ein US-Phänomen. Neben dem US-EU TTIP 2 wäre eine rasche EU-Ratifizierung von Mercosur (Argentinien & Brasilien dzt. ca. 13% Zölle, EU bei 6%) zu beiderseitigem Vorteil.

Peter Brezinschek

Autor

Peter Brezinschek

Ökonom, Kolumnist, Kommentator

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