Gastkommentar

Budgetdefizite - im Würgegriff

Fiskalpolitik außer Kontrolle: Während die USA trotz explodierender Schulden dank des Dollar-Bonus sinkende Renditen feiern, kämpft Europa mit steigenden Zinsen und wachsender Haushaltslast. Strukturelle Reformen sind überfällig, bevor die Geduld der Finanzmärkte endet.

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19.12.2025

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Peter Brezinschek meint, dass Budgetdisziplin in der Eurozone ebenfalls nur noch ein historisches Relikt ist.

In den USA setzt Donald Trump die kata­strophale Fiskalpolitik seines Vorgängers Joe Biden mit nur geringen Abweichungen fort. Doch die Vereinigten Staaten von Amerika haben den Vorteil des US-Dollars, der Weltre­servewährung Nummer eins. Die explodierenden Verschuldungszahlen finden so kaum einen Niederschlag auf dem Finanzmarkt – die zehnjährigen Renditen der US-Treasuries sind sogar seit ihrem Hoch im Jänner 2025 von 4,8 auf 4,12 Prozent drastisch gefallen. Dies, obwohl die Federal Reserve ihre Leitzinsen erst im Herbst abgesenkt hat.

In der Eurozone ist Budgetdisziplin ebenfalls nur noch ein historisches Relikt. Und im Gegensatz zu den USA ist der Euro mit rund 20 Prozent globalen Reservewährungsanteils zu wenig bedeutsam, automatische Auslandskapitalzuflüsse zu generieren. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass die deutschen zehnjährigen Bundesanleihen seit Jahresanfang von 2,40 auf über 2,71 Prozent im Jahresverlauf nach oben gingen. Insbesondere seit der Ankündigung eines „Sondervermögens“ für Verteidigung und Infrastruktur im März 2025 sind vor allem die Renditen langer Laufzeiten über zehn Jahre auf erhöhtem Niveau. Denn auch Deutschland wird 2026 bei minus 2,9 Prozent ordentlichem öffentlichen Haushalt plus „Sondervermögen“ die Maastricht-Grenze überschreiten. Trotz expansiver Fiskalpolitik wird die Wachstumsschwäche kaschiert, wie das Ifo-Institut lapidar festhält.

»Die Geduld der Finanzmärkte ist endlich – und ­Fiskalkosmetik ­ersetzt keine ­Reformen.«
Peter Brezinschek

Gleiches gilt für Österreich in noch viel stärkerem Ausmaß. Selbst massive Haushaltsdefizite haben die ökonomische Talfahrt mit drei Jahren Rezession und Stagnation nicht verhindert. Die „keynesianischen“ Multiplikatoreffekte konnten sich nicht entwickeln, weil vielmehr eine Verdrängung des privaten Sektors durch staatlichen Konsum stattgefunden hat. Am besten wird dies am Beispiel der Stadt Wien sichtbar. Lag der Schuldenstand 2019 noch bei 7,2 Milliarden Euro, dürfte dieser bis 2026 mit geplanten 14,9 Milliarden sich mehr als verdoppeln, ohne dass private Wertschöpfung substanziell zugelegt hat. Wien ist nur „gewachsen“, weil die Zahl der öffentlich Bediensteten ebenso stark angestiegen ist wie deren Gehälter. Doch das ist nur Verbrauch des vom Privatsektor erwirtschafteten Wohlstands und nicht „Wohlstand sichern“, wie die Stadt Wien postuliert. Zur Senkung der Budgetdefizite behilft man sich mit Einnahmensteigerungen statt Ausgabenkürzungen. Ein Teufelskreis: Private verlieren noch mehr Wettbewerbsfähigkeit, und der öffentliche Sektor wächst und wächst.

Dass eine Fiskalpolitik mit jährlichen Defiziten deutlich über vier Prozent des BIPs nicht zukunftsfair ist, sollte jeder Regierung einleuchten. Aber um endlich auf einen stabilen Wachstumspfad zurückzukehren, sind ernsthafte Reformen beim Pensions-, Gesundheits- und Sozialsystem erforderlich. Gleiches gilt für den Arbeitsmarkt und vor allem für einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern mit eindeutigen Kompetenzzuordnungen. Wenn auch noch die Digitalisierung konsequent in alle Ebenen der Verwaltung Einzug hält, können auch Personalstand und -kosten der öffentlichen Hand reduziert werden. Fiskalkosmetik mit ständig neuen Abgabenerhöhungen ist der falsche Weg. Denn die Zinszahlungen auf die Staatsschuld haben von 2022 mit 4,3 Milliarden bis 2026 mit 9,4 Milliarden Euro bereits fast die Hälfte des Budgetdefizits erreicht. Tendenz steigend. Da ist eine Rating-Herabstufung noch gar nicht eingepreist. Die Finanzmärkte sind nicht ewig geduldig. Es besteht höchster Handlungsbedarf.

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