Flatex-CEO: Gewinnen täglich 200 Kunden
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Herr Behrens, der Online-Broker „Flatex Degiro“ ist mittlerweile in 16 Ländern präsent. Wie wichtig ist der österreichische Markt für ihr Unternehmen? - Oliver Behrens: Österreich ist nach den Niederlanden und Deutschland der drittwichtigste Markt für uns. Netto gewinnen wir in Österreich jeden Tag rund 200 Neukunden, mithin heuer also bereits rund 60 000. Also, wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung, das Vertrauen der Österreicher in uns ist gigantisch. Unser Slogan „Jeder ist ein Investor“ wird verstanden, im Schnitt liegen über 30.000 Euro im Depot.
Wie erklären Sie sich das? - Mundpropaganda ist wichtig. Heute treffen die Leute auf andere Kunden und reden darüber, das ist wichtig für uns. Der Mensch freut sich, wenn er Gleichgesinnte trifft. Und unsere Kunden sind im Schnitt 38 Jahre alt und nehmen die Altersvorsorge selbst in die Hand.
Ihre Neunmonatszahlen waren fast durchweg positiv, was hat den Geschäftsverlauf beeinflusst? - Natürlich sorgten die „Magnificent 7“ bei den Tech-Aktien in den USA für eine Belebung des Handels, aber jetzt gibt es auch Impulse aus Europa heraus. Dazu zählen Chiphersteller, Payment-Provider und natürlich die Rüstungsaktien wie Rheinmetall. Wir haben unsere Umsatz- und Ergebnisprognose für das Gesamtjahr erneut angehoben – jetzt wird ein Umsatz von 530 bis 550 Millionen Euro angestrebt sowie ein Konzernergebnis zwischen 150 und 160 Millionen Euro.
Was erwarten Ihre Kunden? - Die Kunden werden bei uns nicht beraten, die sind Selbstentscheider. Aber sie wollen eine Plattform, die auch an hektischen Börsentagen funktioniert und die kostengünstig ist, das ist ganz wichtig. Und wir haben 200 Mitarbeiter im Call-Center, falls man ein Anliegen hat.
Der Lackmustest kommt ja immer dann, wenn beispielsweise ein Crash ist und alle durch die Tür wollen, also kaufen oder verkaufen wollen … - Absolut, und da kann man sich auf uns verlassen. Im April hatte US-Präsident Trump ja die Märkte mit seinen Zollplänen geschockt, da hatten wir die höchste Zahl an Kontoeröffnungen.
Warum das denn? - Weil viele Kunden bei ihren Direktbanken oder anderen Brokern nicht ins System kamen. Die wollten eine Kauf- oder Verkaufsorder abgeben, aber die Apps funktionierten nicht mehr. Und da kamen wir dann relativ schnell ins Spiel. An normalen Tagen haben wir bis zu 300.000 Transaktionen, an Spitzentagen bei Marktverwerfungen kann es auch mal ein Vielfaches davon sein. Das können wir stemmen, ob das auch alle anderen können, bezweifele ich.
Sind neue Produkte geplant? - Ja. Festgelder mit Laufzeit sind in der Pipeline und die Wertpapierleihe, da werden die Depots verliehen und der Kunde bekommt Zinsen dafür. Und Sparpläne mit Aktien, da kann man beispielsweise in fünf Aktien, von denen man überzeugt ist, monatlich investieren.
Sind Girokonten geplant? - Nein, Girokonten gibt es nicht, weil wir uns als Investmentplattform verstehen. Wir wollen unsere Kunden beim Vermögensaufbau unterstützen, aber keine umfassenden Bankdienstleistungen anbieten. Insofern benötigen unsere Kunden immer ein Referenzkonto für Ein-und Auszahlungen auf beziehungsweise vom Depotkonto.
Sie haben Kryptowährungen im Angebot … - Ja, die Österreicher haben das mit Begeisterung aufgenommen, wir machen da einen schönen Tagesumsatz mit insgesamt 19 Währungen, Bitcoin und Ethereum sowie Solana sind am beliebtesten. Aber, was uns ganz wichtig ist, wir gehören zu den günstigsten Anbietern, die Spanne zwischen An- und Verkauf liegt bei uns nicht bei fünf Prozent, sondern ist sehr eng gefasst. Der Markt ist unreguliert und die Kunden sollten ganz genau hinsehen, wie weit die Geld- und Briefkurse auseinander liegen.
Wie sehen die Depots der Österreicher aus? - Gut 90 Prozent sind Aktien und ETF. Neben Investitionen in Einzelaktien sind gerade auch ETF-Sparpläne mit dem MSCI World sehr gefragt. Anleihen spielen kaum eine Rolle, Gold wird beispielsweise über Euwax-Produkte abgedeckt und macht zwei bis drei Prozent im Depot aus, die Kryptos rund vier Prozent.
Sie engagieren sich auch in der Finanzbildung, etwa mit Webinaren. Wollen Sie das ausbauen? Ja, wir haben jetzt ein eigenes Fernsehstudio in Frankfurt, pro Jahr kommen wir auf ein paar Hunderttausend Teilnehmer an den Webinaren. 2026 wollen wir da noch mehr Gas geben und einen „Finanzkiosk“ schaffen, mit Nachrichten, Analysen und Auswertungen, welche Aktien die Österreicher zum Beispiel im vergangenen Monat am meisten gekauft haben. Und es sind Kundenveranstaltungen geplant, etwa in Wien oder Graz. Das kann mit Produktpartnern laufen als hybride Veranstaltung, also mit Online-Zugang.
Man hört immer wieder von Hackerangriffen. Ist das auch für Sie ein Thema? - Natürlich beschäftigen wir uns sehr mit dem Thema. Wir haben eine eigene Cyber-Security-Abteilung, die analysiert und überwacht von morgens bis abends. Da wird aufgepasst, ob beispielsweise versucht wird, Passwörter zu stehlen, die dann im Darknet zum Kauf angeboten werden. Die Sicherheit unserer Kunden und ihrer Anlagen ist stets oberstes Gebot.
Wo sehen Sie die größten Risiken an den Märkten in den nächsten 18 Monaten? - In den vergangenen Wochen lese ich vermehrt von Befürchtungen, dass die Bewertungen in manchen Sektoren, gerade im Bereich Tech und KI, ihren Höhepunkt erreicht haben könnten. Bei hohen Bewertungen ist es sicher nicht schlecht, auch mal über Gewinnmitnahmen nachzudenken und eine kleine Cash-Position aufzubauen. Und auch Stop-Loss-Marken sind empfehlenswert, vor allem wenn man in den Urlaub fährt und man nicht jeden Tag ins Depot schaut. Potenzielle Risiken schaffen aber natürlich möglicherweise auch neue Chancen, wir haben das gerade bei kurzfristigen Rücksetzern gesehen, die von vielen unserer Kunden als Einstiegsopportunität gesehen wurden.

Autor
Korrespondent Deutschland
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