Hintergrundfarbe
Farbe
Neutral
Grün
Interview

„Der Klimawandel verändert die Spielregeln der Wasserkraft“

Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen steht die Welt an einem Kipppunkt. Die Temperaturen steigen, Gletscher schmelzen, Extremwetter nimmt zu – und die Energiewende kommt nicht schnell genug voran. Der Börsianer sprach mit Roberta Boscolo, Leiterin des Klima- und Energiebereichs der World Meteorological Organization (WMO) in Genf, über die globale Lage, die Rolle der Wasserkraft und die Frage, wie Klimadaten künftig Investitionen sicherer machen können.

Veröffentlicht

07.11.2025

Lesezeit

2 min
Teilen auf
Smiling woman with short brown hair in a dark blazer, standing in front of a blue background with a globe and star emblem.
© Roberta Boscolo
Roberta Boscolo, Klimaexpertin der WMO in Genf, warnt: Die Energiewende kommt zu langsam, und der Klimawandel verändert die Grundlagen der Wasserkraft.

Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen – sind wir auf dem richtigen Weg? Roberta Boscolo: Nein, leider nicht. Die globalen Emissionen steigen weiter, und das 1,5-Grad-Ziel ist praktisch außer Reichweite. Wir sehen Rekordtemperaturen, schmelzende Gletscher und steigende Meerestemperaturen. Das heißt: Was bisher getan wurde, reicht nicht aus, um den Trend zu stoppen.

Viele hoffen auf die Energiewende. Läuft sie zu langsam? - Ja. Die Umstellung auf erneuerbare Energien geht voran, aber nicht in der nötigen Geschwindigkeit. Wir müssten die globalen Emissionen bis 2030 um etwa 43 Prozent gegenüber 2019 senken – aktuell liegen wir nur bei rund 2 bis 3 Prozent. Das ist viel zu wenig.

Welche Rolle spielt Wasserkraft in dieser Transformation? - Wasserkraft bleibt ein zentraler Bestandteil sauberer Energie – aber der Klimawandel verändert ihre Grundlage: den Wasserfluss. Gletscher schmelzen, Niederschläge werden unregelmäßiger, und Wasserstände ändern sich viel rascher als früher. Kurzfristig kann das zu mehr Wasser führen, langfristig aber zu Engpässen.

Wetterextreme beeinträchtigen sowohl Wasser- als auch Energieinfrastruktur.
Roberta Boscolo

Was bedeutet das für bestehende und künftige Kraftwerke? - Betreiber müssen umdenken. In Zukunft wird es wichtiger sein, Wasser besser zu speichern, weil die natürlichen Reservoirs – also Schnee und Eis – verschwinden. Das heißt: größere Speicherbecken, angepasste Planung, neue Steuerungssysteme. Wir brauchen außerdem präzise Klimadaten, um Risiken frühzeitig zu erkennen.

Europa ist stark von Extremwetter betroffen. Wie wirkt sich das auf die Energieversorgung aus? - Südeuropa leidet zunehmend unter Dürre und Hitze, der Norden unter Starkregen. Diese Extreme beeinträchtigen sowohl Wasser- als auch Energieinfrastruktur. Gleichzeitig steigt die Sonneneinstrahlung – das ist gut für Solarenergie. Die Zukunft liegt in einem ausbalancierten Energiemix, der Wasserkraft, Solar, Wind und Speicher intelligent kombiniert.

Reichen die Daten, um diese Entscheidungen zu treffen? - Die Daten existieren, werden aber noch zu wenig genutzt. Viele Energieprojekte berücksichtigen nur historische Klimarisiken, nicht die Zukunft. Dabei könnten Klimadaten helfen, Investitionen sicherer und rentabler zu machen.

Was müsste sich ändern, damit Klimaschutz und Planung besser zusammengehen?- Jede politische Entscheidung – vom Straßenbau bis zum Kraftwerk – sollte auf aktuellen Klimaszenarien beruhen. Dafür brauchen wir mehr Dialog zwischen Wissenschaft, Technik und Politik. Der Klimawandel darf kein „Nachtrag“ im Projektplan sein, sondern ein integraler Teil von Anfang an.

Das Gespräch fand am Inspire Summit der Verbund AG statt.  

Irmgard Kischko

Autor

Irmgard Kischko

Finanzjournalistin

Teilen auf