KTM-Restrukturierung: Stefan Pierer betritt Neuland
Veröffentlicht
Lesezeit
%0A&w=1920&q=75)
Im Reich von KTM-Mastermind Stefan Pierer kracht es an allen Ecken und Enden. Und frei nach dem Motto „rette sich, wer kann“ hat der Zweiradspezialist bei einer von der Pierer Industrie AG begebenen Anleihe und mehreren Schuldscheindarlehen Neuland betreten. Am 25. November 2024 hat man sich dazu entschieden, ein europäisches Restrukturierungsverfahren nach der Restrukturierungsordnung (ReO) einzuleiten. Dabei handelt es sich in Österreich um das erste öffentliche Verfahren dieser Art. Im Gegensatz dazu wurden damit in Holland, Deutschland oder Frankreich bereits Erfahrungen gesammelt.
Wichtiges Detail: Vom aktuellen, in Österreich laufenden Verfahren, sind nur die Gläubiger von Anleihen und Schuldscheindarlehen betroffen. Im Fall der Pierer Industrie AG zielt das Verfahren also auf die Anleihe Pierer Industrie 2,5%Anl.20-28 (ISIN: AT0000A2JSQ5) mit einem Volumen von 100 Millionen Euro ab. Zusätzlich sind zwei Schuldscheindarlehen in Höhe von insgesamt 132,5 Millionen betroffen. Diese Obligationen sind mit den Laufzeiten 2020 bis 2025 sowie 2020 bis 2026 versehen. Dazu kommt noch ein privat platziertes Schuldscheindarlehen mit einem Gesamtnennbetrag von 15 Millionen Euro und Laufzeit 2021 bis 2033. Summa summarum geht es also um ein Volumen von insgesamt 247,5 Millionen Euro.

Stillhalten und Strecken
Der große Vorteil des eingeleiteten Restrukturierungsverfahrens: Gläubiger können zum Stillhalten und Strecken von Fälligkeiten bewegt werden. Das hat oberste Priorität, würde doch eine vorzeitige Fälligstellung der Finanzierungen in die Zahlungsunfähigkeit der Pierer Industrie AG münden. Ganz so unwahrscheinlich ist eine vorzeitige Kündigung nicht. Findet sich doch im Prospekt der Pierer Industrie-Anleihe in Paragraf 8 unter anderem folgender Passus: „Den Anleihegläubigern steht kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Jeder Anleihegläubiger ist lediglich berechtigt, seine Teilschuldverschreibungen aus wichtigen Gründen (außerordentliche Kündigung) gemäß den Anleihebedingungen zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zum Nennbetrag zuzüglich der bis zum Tag der Rückzahlung aufgelaufenen Zinsen zu verlangen.“ Damit droht die Gefahr, dass wichtige Gründe ins Treffen geführt werden, weshalb Gläubiger auf ihr außerordentliches Kündigungsrecht pochen könnten.
Diese Gefahr ist gebannt, wenn die Fälligstellung durch das Restrukturierungsverfahren vermieden werden kann. Dazu ist aber die Zustimmung der Gläubiger notwendig, die ihre Forderung bis spätestens 31.1. beim Landesgericht anmelden können. Am Weg dorthin werden im Rahmen der Restrukturierung die von den Maßnahmen betroffenen Gläubiger in Klassen eingeteilt. Die Abstimmung über die Annahme des Restrukturierungsplans erfolgt innerhalb dieser einzelnen Klassen. Der Vorteil für die Pierer Industrie AG: Selbst wenn keine durchgängige Zustimmung besteht, gibt es einen Ausweg. Kann doch das Gericht auf Antrag des Schuldners den Restrukturierungsplan auch dann bestätigen, wenn er nicht von allen Gläubigerklassen goutiert wird. Ergo können nicht zustimmende Klassen vom Gericht überstimmt werden. Ist das der Fall, kommt es zu einem sogenannten klassenübergreifenden Cram-down. Dabei handelt es sich um eine Umstrukturierung von Schulden, die von den Gläubigern zu akzeptieren ist.
Wie geht es weiter? Wie die Chancen stehen, dass Stefan Pierer mit dem europäisches Restrukturierungsverfahren durchkommt, erfährst du hier demnächst im zweiten Teil der Story.
Autor
Finanzjournalist