OGH-Urteil: Freier Fall bei Kreditgebühren
Veröffentlicht
Lesezeit
%0A&w=1920&q=75)
Der OGH hat jüngst eine Entscheidung zur Zulässigkeit der Kreditbearbeitungsentgelte bei Krediten im Verbrauchergeschäft gefällt.
Darin weicht er erheblich von seiner bisherigen Rechtsprechung zu dieser Frage ab, nach der Kreditbearbeitungsentgelte im Wesentlichen kontrollfrei waren.
Im Ergebnis kann damit eine prozentuell berechnete Kreditbearbeitungsentgelt in AGB oder Vertragsformblättern unzulässig sein.
Die Entscheidung lässt viele wesentliche Fragen offen und führt damit zu erheblicher Unsicherheit im Markt.
In der Mechanik ist der freie Fall die Bewegung eines Körpers, bei der ausschließlich die Schwerkraft wirkt. Umgangssprachlich wird unter dem „freien Fall“ vorwiegend die beschleunigte senkrechte Bewegung nach unten verstanden. Ähnlich könnte es sich mit den Auswirkungen der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) zu Kreditbearbeitungsentgelten (oft auch als „Kreditbearbeitungsgebühr“ bezeichnet) verhalten, die den Aufwand einer Bank bei Abschluss eines Kreditvertrages vergüten.
Ein Schritt zurück: Der Status quo war die längste Zeit klar und unbestritten. Kreditbearbeitungsentgelte waren als Entgelte Hauptleistungen und als solche im Wesentlichen kontrollfrei. Insbesondere unterlagen sie nicht der Prüfung, ob sie gröblich benachteiligend waren. Parteien machen sich über Hauptleistungen üblicherweise mehr Gedanken als über Nebenbestimmungen, gröbliche Benachteiligung ist daher nur bei Nebenbestimmungen eine Sorge des Gesetzgebers, die der Kunde womöglich nicht so im Auge hat. All das hatte der OGH zuletzt überzeugend in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2016 so gesehen.
Wie hoch darf Entgelt sein?
Am 21. März 2025 wurde eine neue Entscheidung publik, die im Worst Case zum milliardenschweren Paukenschlag werden könnte: Die in einem Kreditvertrag einer großen österreichischen Bank enthaltene Bestimmung, dass die Bank bei Zuzählung der Valuta ein Bearbeitungsentgelt von 1,5 Prozent berechnet, wurde in einem Verbandsprozess auf einmal doch nach § 879 Abs 3 ABGB geprüft und postwendend für gröblich benachteiligend gehalten.
In seiner Begründung erklärt das Höchstgericht, dass 1,5 Prozent beim durchschnittlichen Kreditbetrag von 220.000 EUR 3.300 betragen würden, bei „nicht unüblichen 440.000 EUR […] schon 6.600 EUR, obwohl nicht nachvollziehbar ist, warum sich bei einer bloßen Verdoppelung der Kreditsumme auch der Aufwand um das Doppelte erhöhen soll.“
Die Zurückhaltung gegenüber vereinbarten Hauptleistungen ist Geschichte. Dies fällt vor allem deswegen ins Auge, da bei Kreditverträgen nicht nur der Zinssatz, sondern verpflichtend auch der Effektivzinssatz anzugeben ist, der es dem Kunden gerade ermöglichen soll, die Komplettkosten auf dem in Österreich gut funktionierenden Markt für Konsumentenkredite zu vergleichen und sich entsprechend für oder gegen ein Angebot einer Bank zu entscheiden.
Offene Fragen
Zwei Punkte darf man mitnehmen: Die Bearbeitungsgebühr an sich ist zulässig; dasselbe gilt für eine pauschalierte Berechnung dieser. Der OGH hat das Thema aber so angestoßen, dass für den Rest nunmehr die Schwerkraft auf die sich aus der Entscheidung ergebenden offenen Fragen wirkt: Wie hoch dürfen die Kosten der Kreditbearbeitung sein? Was, wenn eine Bank mehr als den festgestellten durchschnittlichen Aufwand von 19 Stunden pro Hypothekarkredit treibt? Dürfen nunmehr weniger effizient arbeitende Banken eine höhere Gebühr verlangen? Schließlich: Wenn die Gebühr die Kosten überschreitet, ab wann liegt dann auch eine „grobe“ Überschreitung vor?
Wirklich erstaunlich sind die Auswirkungen der Entscheidung vor allem dann, wenn man das Beispiel des OGH fortdenkt: Der Häuslbauer darf sich wenig Hoffnung auf die Rückzahlung seines Kreditbearbeitungsentgelts machen, der Käufer der Luxusvilla viel eher, weil die Pauschalierung bei ihm eher zu einer hohen Summe führt. Dass hohe Summen besonders ins Auge fallen - was besonders für die Einordnung als kontrollfreie Hauptleistung spricht – vermag den Fall nicht zu bremsen.
Anwendung bei Geschäftskunden
Erste Sammelaktionen haben jedenfalls schon begonnen. Die Gelegenheit, den vereinbarten effektiven Zinssatz rückwirkend zu senken – am besten in der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren – ist eine Chance auf Windfall Profits für Kreditnehmer und ein Risiko enormer, mit Blick auf die bisherige Judikatur unvorhersehbarer Konsequenzen für Banken.
Wenn der freie Fall einmal im Verbrauchergeschäft beginnt, ist das Unternehmergeschäft meist nicht weit. § 879 Abs 3 ABGB ist kein Verbraucherrecht, sondern allgemeines Zivilrecht. Die aktuelle Entscheidung wirft daher nicht nur im Verbrauchergeschäft mehr Fragen auf als sie beantwortet.

Autor
Florian Klimscha ist Partner bei Freshfields und spezialisiert auf Bankrecht, Schuldenfinanzierungstransaktionen und Unternehmensrestrukturierungen.
Mehr in der KategorieGastkommentar
Europa: Prioritäten anders setzen
Europa: Prioritäten anders setzen
%0A&w=3840&q=75)
Klimaschutz braucht leistungsstarke Wirtschaft
Klimaschutz braucht leistungsstarke Wirtschaft
%0A&w=3840&q=75)
oekostrom AG: Rendite holen
oekostrom AG: Rendite holen

Verheißungsvoll: Was deutsche Regierung plant
Verheißungsvoll: Was deutsche Regierung plant
%0A&w=3840&q=75)
ESG: Irgendwie illegal?
ESG: Irgendwie illegal?
%0A&w=3840&q=75)