Königsangriff für Finanzprofis
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Schachgroßmeister Stefan Kindermann zeigt Finanzprofis, wie sie mit Intuition und Strategie ihre Entscheidungen verbessern können - hier geht es zum Porträt seiner Person.
Wenn Sie spontan gefragt werden: Was sollte man im Geschäftsleben aus dem Schachspiel beherzigen? – Stefan Kindermann: Man sollte Denkfallen umgehen. Breite vor Tiefe ist hier das Schlagwort. Wenn ich in eine Zug-Idee viel Bedenkzeit investiere und irgendwann draufkomme, dass mein Plan eigentlich schlecht war, kostet mich das viel Zeit und Energie. Ebenso schwierig ist es im Geschäftsleben, aus einem Projekt auszusteigen, wenn bereits viele Ressourcen hineingeflossen sind. Es ist essenziell, zunächst mehreren Alternativen gedanklich eine Chance zu geben und sich erst dann auf einen konkreten Weg festzulegen.
Wir wissen, dass rund 98 Prozent der menschlichen Entscheidungen intuitiv fallen und nicht rational. Was kann ich daraus ableiten? – Es geht darum, ein Verständnis für die eigene Intuition zu entwickeln. Seit der Aufklärung trainieren wir in der Schule und im Studium immer hauptsächlich die Ratio. Jetzt stellt sich aber die Frage: Wie kann ich meine Intuition weiterentwickeln und kommunizieren? Also, wie mache ich sie anderen verständlich, wo kann ich auf meine Intuition vertrauen und wo führt sie mich in die Irre?
Wo passiert das denn? – Starke emotionale Bilder verzerren. Auch bei Wahrscheinlichkeiten sind wir evolutionshistorisch gesehen sehr schlecht aufgestellt. Was ich an der Börse so interessant finde, ist, dass sich dort der Glaube in Realität verwandelt. Sobald viele glauben, dass eine Firma mal viel wert sein wird, ist sie tatsächlich viel wert.

Stefan Kindermann, Schachgroßmeister, Unternehmer und Autor, ist für seine strategischen Einblicke bekannt. Er hält regelmäßig Keynotes für Finanzprofis, in denen er Schachstrategien auf wirtschaftliche und unternehmerische Herausforderungen überträgt. Mehr Infos: www.koenigsplan.com
Das hat auch eine emotionale Seite. Manche Investmenthäuser schicken ihre Trader nach Hause, wenn sie am Vormittag hohe Verluste gemacht haben, weil sie tendenziell am Nachmittag ein rational nicht erklärbar hohes Risiko eingehen. Ich habe mal mit der Wissenschaftlerin Theresa Treffers zusammengearbeitet, die emotionale Faktoren im Investmentverhalten untersucht hat. Sie hat einen überraschenden Faktor identifiziert, der dafür sorgte, dass Investoren mehr Risiko nehmen: Und das war das Wetter. Je schöner, desto risikofreudiger.
Und was fange ich mit dieser Erkenntnis an? – Erst wenn einem bewusst ist, dass es einen solchen äußeren Rahmen gibt, der uns manipuliert – das können auch Emotionen wie Gier oder Angst sein –, merkt man, dass die eigene Intuition verzerrt wird und kann gegensteuern. Wenn ich diese Mechanismen verstanden habe, kann ich auf die positiven Seiten meiner Intuition setzen und mich gleichermaßen vor den negativen schützen. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, Ratio und Intuition auf optimale Weise zusammenzuführen, bevor ich eine kritische Entscheidung treffe.
Wie kann man das zum Vorteil ausspielen? – Im Königsplanmodell haben wir Checklisten entwickelt. Anhand dieser Checklisten soll dann die Entscheidung leichter fallen, ob ich im Zweifelsfall der Ratio oder dem Bauchgefühl folgen soll.
Okay, aber wie lerne ich denn, meine Intuition zu verstehen? – Für das Training der eigenen Intuition empfehlen wir, ein eigenes Intuitionsprofil anzulegen. Das funktioniert, wenn ich dazu ein spezifisches Tagebuch anlege. Ich sammle dort meine Erfahrungen, ob ich in der Einschätzung von Menschen richtig oder danebenlag und ob ich bei Projekten oder Investitionen zu defensiv oder zu überoptimistisch war. Wenn ich das verstanden habe, kann ich dann rational darüber nachdenken, was zu den Verzerrungen geführt hat.
Man sagt, im Schachspiel lernt man am meisten von der Analyse der verlorenen Partien, richtig? – Das stimmt. Erst wenn ich verstanden habe, was schiefgelaufen ist, ist die Niederlage nicht mehr sinnlos. Zudem sollte man sich auch bei Niederlagen die Frage stellen: Worauf kann ich stolz sein? Das wird im deutschsprachigen Raum zu wenig verfolgt. Es ist aber wichtig, weil man auch aus gescheiterten Projekten oder verlorenen Partien mentale Kraft ziehen kann. Eine rentable Reflexion, wie ich es nenne, ist prinzipiell immer wichtig. Es geht um die Frage, wie gehe ich auf die optimale Weise mit dem abgeschlossenen Werk um. Klarerweise frage ich, was hat gut geklappt und was kann ich vielleicht das nächste Mal besser machen. Noch viel wichtiger ist, sogenannte Erfolgsfallen zu erkennen.
Was ist denn darunter zu verstehen? – In Erfolgsfallen blenden wir gerne aus, was nicht so gut gelaufen ist. Es kann sein, dass ich totalen Dusel hatte und die Partie nur gewonnen habe, weil mein Gegner einen Fehler gemacht hat. Wenn ich unreflektiert beim nächsten Gegner das Gleiche mache, wird es oft so sein, dass dieser nicht in dieselbe Falle tappt, sondern genau darauf vorbereitet ist und mich bestraft.
Gibt es überhaupt den Faktor Glück im Schach? – Der einzige Glücksfaktor ist der Zustand des Gegners. Je nachdem, ob er zufällig Zahnschmerzen hat und ihm die Frau weggelaufen ist oder ob er sich in der Form seines Lebens befindet, wird das einen dramatischen Unterschied in seiner Performance ausmachen.

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