Interview

Speedinvest-CEO Holle:Österreich hat das aus irgendeinem Grund verschlafen."

Oliver Holle im Gespräch über den Status der heimischen Innovationsökonomie, die Initiative invest.austria Dachfonds und Startups, die die Welt verändern.

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12.11.2025

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© invest.austria Alexander Müller
Speedinvest-Gründer und -CEO Oliver Holle: "Bei der Umsetzung des rot-weiß-roten Dachfonds kann man sich anschauen, wie es international funktioniert hat."

Herr Holle, Speedinvest ist einer der aktivsten Frühphaseninvestoren Europas. Neben anderen Auszeichnungen wurden Sie 2022 bei „The Europas Tech Startup Awards“ zum "europäischer VC des Jahres" gekürt. Wie fühlt man sich als Europameister? - Oliver Holle: Europameister? Das kann ich nicht beurteilen. Und ich bezweifle, ob das eine richtige Einstufung ist. Ich bin seit 15 Jahren in diesem Segment aktiv. Ich mache nichts anderes, das ist mein Leben. Ich werde das auch die nächsten 15 Jahre tun. Wenn man etwas lang und konsequent verfolgt, auch mit langfristigen Beziehungen, dann wird das was. Das war immer mein Motto.

Wie entwickelt sich die Venture Capital-Szene in Österreich? - 2023 haben sich die Austrian Angels Investors Association aaia und die Austrian Private Equity & Venture Capital Organisation AVCO zusammengeschlossen und den Verein invest.austria gegründet. Das war gut, es kam frischer Wind rein. Jetzt ziehen alle an einem Strang. Das wurde auch bei der diesjährigen invest.austria Konferenz ersichtlich. Es waren wichtige nationale und internationale Branchenvertreter vor Ort.

Wie stufen Sie die Initiative invest.austria Dachfonds ein? - Wir sind in Europa das absolute Schlusslicht. Es gibt kein Land, auch nicht in unserer Größenordnung wie etwa die Schweiz, Dänemark oder Schweden, die solche Programme nicht haben. Viele Länder investieren seit vielen Jahren erfolgreich und schaffen damit Wert für ihr Land. Österreich hat das aus irgendeinem Grund verschlafen. Es gab vor 15 Jahren mit der AWS ein kleines Programm, das uns beim ersten Fonds sehr geholfen hat. Ohne dieses Geld hätte es Speedinvest in dieser Form nicht gegeben. Und inzwischen haben wir über 100 Investments in Österreich mit einer Höhe von hunderten Millionen Euro gemacht. Das ursprüngliche Engagement hat sich für den österreichischen Staat ausgezahlt, bereits nach wenigen Jahren wurde das Zweieinhalbfache des Einsatzes zurück verdient.

Kann es beim rot-weiß-roten Dachfonds an der Umsetzung scheitern? - Es gibt kein europäisches Land, wo es an der Umsetzung scheiterte. Man kann sich anschauen, wie es international funktioniert. Aber ich habe ein bisschen die Angst, dass die Ambitionen, auch privates Kapital reinzuholen, so groß sind, dass dann der Staat erst recht nicht ins Tun kommt. Und das wäre halt der Worst Case.

Welche Rolle können Sie einnehmen? - Wir sind mit vielen Stakeholdern im Gespräch. Mein Co-Geschäftsführer Markus Lang und ich versuchen, mit Beratung zu helfen. So wie viele andere Fonds auch. Es gibt Gespräche, und alle wollen das. Auch die politische Seite. Staatssekretärin Elisabeth Zehetner will das und hat ganz offen gesagt, politisches Kapital gewinnt man damit nicht, aber es ist wichtig fürs Land.

"Bei Innovationsökonomie hinkt Österreich hinterher. Auf einer Skala von 1 bis 10 sind wir bei 2."
Oliver Holle, Speedinvest

Die heimische Venture-Szene ist nicht groß. Wo stehen wir in Österreich? - Bei Innovationsökonomie hinkt Österreich hinterher. Auf einer Skala von 1 bis 10 sind wir bei 2. Wenn ich nach London, in die nordischen Länder oder geschweige denn in die USA schaue, ist man bei 8. Jeder Absolvent einer normalen Uni versteht dort, wie Risikokapital funktioniert. Diversifikation ist entscheidend. Natürlich gibt es Risiko. Aber über 100, 200 oder 300 Positionen verteilt, ist das vernachlässigbar. Diese Logik hat bei uns immer noch News-Charakter, während das in den USA seit 50 Jahren von den größten Investoren der Welt gelebt wird. Auch das United Kingdom ist ein Vorreiter. Man hat es mit Universitäten wie Cambridge oder Oxford geschafft, die Spirale zwischen Kapital, Innovation und Humankapital zu verbinden.

Mangelt es hierzulande an Fachkenntnis? - Viele Politiker verstehen das Grundkonzept der Assetklasse Venture Capital nicht. Und in den Führungsetagen vieler großer österreichischer Betriebe wird der Begriff Startup immer noch mit Schaumschlägerei und Partys assoziiert. Aber das ist überhaupt nicht der Fall.

Aus welchen Bereichen kommen eigentlich Gründer? - Aus dem Kreis der besten Köpfe an Universitäten. Inzwischen aber immer in Kombination mit einem Team, das auch schon mal ein Startup gegründet hat. Diese Personen wissen, wie das Pferd läuft. Das bringt den Vorteil, dass auch die ökonomische Komponente berücksichtigt wird. Oft ist es unser Job, Leute zusammenzubringen und zu vernetzen.

Gibt es dazu ein Beispiel aus Österreich? - Ja, das Linzer Startup Emmi AI. Es handelt sich um ein Spinoff der Universität Linz und ist eines der interessantesten AI-Startups in Europa. Johannes Brandstetter hat an der Johannes Kepler Universität Linz zehn Jahre zu Modellen für Thermodynamik und Aerodynamik geforscht. Und bei Microsoft das beste KI-Wettermodell gebaut. Mit diesem Know-how und unterstützt von Uni-Professor und KI-Pionier Sepp Hochreiter wurde Emmi AI gegründet. Es folgte die Zusammenarbeit mit dem Berliner Dennis Just, der schon zwei sehr erfolgreiche B2B-Startups gebaut hat. Und das ist natürlich ein Dream-Team.

Ich war kürzlich in Riad, in Abu Dhabi und Doha. Mit diesen großen Playern gilt es Partnerschaften aufzubauen und sich als Anker für Europa zu etablieren. Das würde uns für die nächsten 20 Jahre absichern und interessiert mich auch kulturell, weil es sich um ganz andere Welten handelt.
Oliver Holle, Speedinvest

Wie sieht ihr Tagesgeschäft aus? - Mein Job ist, Speedinvest im geopolitischen Umfeld zu positionieren. Wir versuchen, global Brücken zu bauen. Wir sind ein etablierter pan-europäischer Fonds. Das gibt uns ein Mandat, mit globalen Playern zu sprechen. Das finde ich persönlich wahnsinnig spannend. Ich bin jetzt viel in Japan, in Südkorea oder in Taiwan, wo es enorme Kapital-Pools gibt. Es gibt auch große Bereitschaft, in Innovation zu investieren. Mein Ziel ist, Partnerschaften zu bilden und damit strukturiert Investments in Europa auszulösen. Ich war kürzlich in Riad, in Abu Dhabi und Doha. Mit diesen großen Playern gilt es Partnerschaften aufzubauen und sich als Anker für Europa zu etablieren. Das würde uns für die nächsten 20 Jahre absichern und interessiert mich auch kulturell, weil es sich um ganz andere Welten handelt.

Wie weit sind Sie bei Ihren internationalen Avancen auf einer Skala von 1 bis 10? - Bei 7. In der Golfregion sind wir schon seit fünf Jahren aktiv. Dort befinden wir uns auf der Skala bei einem Wert von 8 bis 9. In Japan sind wir erst seit eineinhalb Jahren präsent. Da wird es auch ein bisschen länger brauchen. Man braucht einen langen Atem. Schließlich geht es um Vertrauensbeziehungen. Wenn Partner kooperieren, tun sie das für 15 Jahre.

Welche Bereiche sind jetzt wichtig? - Es geht um künstliche Intelligenz. Das ist 80 Prozent der Thematik. KI hat die Welt verändert. Es geht um weitere Beschleunigung, Beschleunigung, Beschleunigung. Auch Innovationen in Energie sind sehr wichtig. Es geht oft auch um das, was jetzt beschönigend Resilience genannt wird. In Wirklichkeit geht es um Verteidigungstechnologien. In dem Kontext ist die Ukraine bedeutend. Als wir vor 15 Jahren angefangen haben, haben wir in Mobile Apps oder in Delivery Services investiert. Das ist komplett weg vom Tisch. Es geht jetzt um Hardcore-Innovationen aus den Universitäten hinaus mit Quantencomputern, mit neuen Materialien, neuen Chips. Robotik wurde immer wichtiger. Wir haben gerade in ein Schweizer Robotik-Startup investiert. Nicht zu vergessen auf Gesundheit und Pharmaentwicklungen. Ich habe das Gefühl, dass das Umfeld viel interessanter ist als vor zehn oder 15 Jahren. Die Fragestellungen sind anders. Brauchen wir neue Methoden, um Krebs zu heilen? Ja. Und brauchen wir eine europäische Verteidigungsinfrastruktur? Ja.

© invest.austria Alexander Müller
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Robert Winter

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Robert Winter

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