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Interview
Grün

"ESG ist ein verbrannter Begriff"

Warum nachhaltige Geldanlage trotz politischem Gegenwind und Performance-Druck nicht am Ende ist – Walter Hatak von Erste Asset Management spricht im Interview über Greenwashing-Vorwürfe, die neue ESG-Regulierung und wieso Impact Investing jetzt erst richtig Fahrt aufnimmt.

Veröffentlicht

16.12.2025

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3 min
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Walter Hatak im Porträt
© EAM
Walter Hatak leitet den Bereich Responsible Investments bei Erste Asset Management.

ESG ist in den letzten Jahren zum Kampfbegriff geworden. In den USA sehen wir einen regelrechten Backlash, auch in Europa gibt es populistische Stimmen, die ESG als Sündenbock für so gut wie alles darstellen. Spürt ihr diesen Rückgang bei euren Kundinnen und Kunden? - Walter Hatak: In Europa ist der Kapitalmarkt weniger politisiert als in den USA, daher spüren wir den Druck hier deutlich geringer. ESG ist zwar verbrannt als Begriff – ich vergleiche das gern mit „Lord Voldemort“ aus Harry Potter –, aber in der breiten Bevölkerung ist das Thema weiterhin präsent. Konsumentinnen fragen nach wie vor nachhaltige Produkte nach – vom Supermarkt bis zur Energieversorgung.

Aber weniger grüne Fonds? - Die Stimmung hängt stark an der Performance. Themenfonds wie erneuerbare Energien hatten drei Jahre Underperformance, was die Wahrnehmung stark geprägt hat. Seit April dieses Jahres haben wir ein Kursplus von über 40 Prozent bei Green-Tech-Aktien gesehen und eine klare Outperformance gegenüber dem globalen Markt – das hat kaum jemand bemerkt. Trotzdem: Wenn ein Produkt nicht performt, ist die Luft draußen – egal wie grün es ist.

Chart der WWF Stock
© Baha Data
Der WWF Stock Environment ist gilt als Benchmark für die nachhaltigen Fonds der Erste Asset Management. Der Fonds investiert weltweit in Unternehmen, die Umwelttechnologien fördern und nachhaltige Lösungen anbieten.

Stichwort Performance. Nach den Trump-Ankündigungen gab es im vergangenen Jahr eine Aufholbewegung bei Green Investments. Was spricht dafür, dass der Trend anhält? - Ja, seit April sehen wir eine Outperformance bei erneuerbaren Energien. Die Unsicherheit war das größte Problem – steigende Zinsen und die Angst vor regulatorischen Änderungen haben den Markt belastet. Jetzt zeigt sich: Die Befürchtungen waren übertrieben. Wir sehen Smart Money, das in den Markt geht. Aber von einer Bubble, wie manche sie bei künstlicher Intelligenz sehen, sind wir weit entfernt. Wir sind optimistisch für die kommenden Jahre.

Kommen wir zur Regulierung: Die EU-Kommission hat den Entwurf für SFDR 2.0 vorgelegt. Ziel war Vereinfachung und mehr Transparenz für Retail-Kunden. Ist das gelungen? - Der erste Wurf war ein Baufehler: Artikel 8 wurde als Label interpretiert, obwohl es nur Offenlegung war. Man konnte praktisch jedes Produkt als „Artikel 8“ klassifizieren, ohne echte Nachhaltigkeit nachweisen zu müssen. Der neue Vorschlag setzt dagegen klare Mindestkriterien – z. B. keine fossilen Energien, keine UN-Global-Compact-Verstöße – und einheitliche Labels wie „Transition“ oder „Sustainable“ statt kryptischer Artikelnummern 8 oder 9. Zudem kommt weniger Bürokratie: durch den Wegfall komplexer Berichte und kürzere Anhänge. Das schafft in Summe ein Level Playing Field und erleichtert den Vertrieb.

Was fehlt? - Ein Anreizsystem: Derzeit ist es einfacher, ein nicht-nachhaltiges Produkt zu machen, weil man weniger offenlegen muss. Das sollte sich hoffentlich noch ändern.

Waffen und grüne Investments sind laut Taxonomie vereinbar, wie das EU-Parlament erst Ende November beschloss. Sogar Kernwaffen und Uranmunition sind investierbar. Nährt das nicht die Greenwashing-Debatte? - Nur weil etwas erlaubt ist, heißt das nicht automatisch, dass nachhaltige Fonds tatsächlich Investments in Waffenproduzenten tätigen müssen. Für uns in der Erste AM sind Waffeninvestments keine nachhaltigen Investments. Dies wird auch so beim Österreichischen Umweltzeichen oder dem deutschen FNG-Siegel gehandhabt. So bleibt die Glaubwürdigkeit aus unserer Sicht erhalten.

Impact Investing heißt nicht nur Kapital umschichten, sondern aktiv gestalten.
Walter Hatak
Head of Responsible Investments bei Erste Asset Management.

Lassen Sie uns über Impact sprechen. Viele denken bei ESG an Ausschlüsse, aber Impact heißt ja auch aktives Engagement. Was macht ihr hier konkret? - Das ist der größte Hebel nachhaltiger Investoren. Wir arbeiten auf zwei Ebenen: Erstens der Kapitalfluss – große Umschichtungen können Unternehmen unter Druck setzen. Und zweitens der Unternehmensdialog: Wir treten aktiv in den Dialog, stellen Fragen, fordern Transition-Pläne ein und üben Stimmrechte aus. Ein Beispiel ist die OMV. Wir sind seit 2016 im Austausch, haben gemeinsam mit anderen Investoren erreicht, dass OMV an ihren Net-Zero-Zielen festhält – inklusive Scope 3. Das ist entscheidend, weil es die gesamte Wertschöpfungskette umfasst. Wir veröffentlichen Engagement- und Voting-Berichte, um Transparenz zu schaffen. Und wir bleiben dran – anders als manche US-Häuser, die ihr nachhaltiges Engagement zuletzt stark zurückgefahren haben.

Wenn Sie auf die nächsten Jahre blicken: Backlash, Regulierung, Impact – wo geht die Reise hin? - Ich bin optimistisch. Der Backlash war stark von Inflation und Energiepreisen getrieben. Mit der aktuellen Performance grüner Investments und einer klareren Regulierung wird das Thema wieder Rückenwind bekommen. Und Impact Investing wird noch wichtiger – nicht nur Kapital umschichten, sondern aktiv gestalten.

Daniel Nutz

Autor

Daniel Nutz

Chefredaktion

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