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Experte: „Die Wasserstoffziele der EU sind unrealistisch“

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energiewende – doch der große Durchbruch lässt auf sich warten. Warum das so ist, erklärt der Wasserstoffexperte und Bloomberg-Analyst Adithya Bhashyam im Börsianer Grün-Interview am Rande der Inspire-Konferenz der Verbund AG.

Veröffentlicht

22.10.2025

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2 min
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Adithya Bhashyam auf einer Bühne
© Mirja_Geh
Adithya Bhashyam sprach auf der Bühne der Inspire-Konferenz und im Nachgang mit dem Börsianer.

Es wird seit Jahren über Wasserstoff geredet, aber in der Praxis scheint wenig zu passieren. Woran liegt das? - Adithya Bhashyam; Wasserstoff war schon vor Jahrzehnten ein großes Thema, aber der Durchbruch blieb aus. Heute ist zwar der politische Wille da – vor allem im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung der Industrie –, doch die Kosten sind hoch, die Effizienz gering und die Zahlungsbereitschaft für grünen Wasserstoff kaum vorhanden. Viele Projekte existieren nur auf dem Papier.

Europa gilt eigentlich als Vorreiter – stimmt das noch? – Europa war ambitioniert, vor allem seit der EU-Wasserstoffstrategie von 2020. Doch die Realität sieht anders aus: Die EU wollte bis 2030 40 Gigawatt an Elektrolysekapazität und 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff schaffen. Realistisch erreichen wir vielleicht ein Zehntel davon. In Österreich etwa sind 1 Gigawatt geplant, tatsächlich kommen wir auf rund 200 Megawatt.

Der Energiebedarf ist enorm - etwa doppelt so hoch wie die heutige Stromproduktion Österreichs.
Adithya Bhashyam

Was bremst den Ausbau so stark? - Die Industrie hält sich zurück, weil sich grüner Wasserstoff wirtschaftlich kaum rechnet. Die Produktionskosten sind hoch, Förderungen und regulatorische Anreize zu schwach. Außerdem ist der Energiebedarf enorm – etwa doppelt so hoch wie die heutige Stromproduktion Österreichs, wenn große Teile der Chemie- oder Stahlindustrie umstellen würden. Das ist schlicht unrealistisch.

Gibt es Unternehmen, die trotzdem vorangehen? - Ja, einzelne. RWE in Deutschland etwa baut ein 500-Megawatt-Projekt. Aber insgesamt fehlt die Risikobereitschaft, vor allem bei den großen Energieversorgern. Aktiv sind nur Raffinerien und Ammoniakproduzenten, die ohnehin Wasserstoff nutzen – aber auch dort geht es langsam voran.

Wäre Import eine Lösung – etwa Wasserstoff aus Nordafrika über Pipelines? - Theoretisch ja, praktisch nein. Die Idee klingt gut, aber es gibt zu viele Unsicherheiten – politische Risiken, Infrastrukturprobleme, Transportkosten. Schon bei Solarstromimporten aus Nordafrika hat man gesehen, dass solche Großprojekte kaum realisierbar sind.

Was müsste passieren, damit der Markt überhaupt in Schwung kommt? - Es braucht vor allem mehr Nachfrageanreize – also Maßnahmen, die Unternehmen dazu bringen, auch teureren grünen Wasserstoff zu kaufen. Heute fehlt diese Zahlungsbereitschaft völlig. Ohne klaren regulatorischen Druck oder gezielte Förderungen werden die Ausbauziele nie erreicht.

Adithya Bhashyam im Gespräch
Adithya Bhashyam
ist Senior Hydrogen Analyst bei Bloomberg-NEF in London. Er analysiert die globale Entwicklung von sauberem Wasserstoff und Ammoniak und berät zu politischen Rahmenbedingungen, Markttrends und technologischen Perspektiven. Zuvor war er unter anderem als Analyst bei Bloomberg und als Research Associate an der Universität für Bodenkultur Wien tätig.
Irmgard Kischko

Autor

Irmgard Kischko

Finanzjournalistin

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