Kommentar

Pleiten pflastern seinen Weg Was 2023 alles geschah

Veröffentlicht

22.12.2023

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3 min
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Jahresrückblick, Börsianer Weihnachten und Prosit
© Daniel Karmann / dpa / picturedesk.com

Geschätzte Paternosterfahrer,

Jahresrückblicke zu verfassen ist grundsätzlich keine Kunst, man reiht einfach ein Ereignis chronologisch und möglichst unterhaltsam ans andere. Doch dann kam 2023 – der Fluch jedes mehr oder minder hingebungsvoll unseriösen Chronisten, wollen sich doch die wenigsten auch nur eine Attosekunde an das Jahr zurückerinnern.

Zu Beginn des Jahres wurde eines klar: Die Teuerung ist gekommen, um zu bleiben, wie auch der ungeheuerliche Angriffskrieg des russischen Despoten Wladimir Putin gegen die Ukraine – und die Zeit der unbelehrbaren Optimisten war vorbei. Das ließ sich auch schön an den Aktienumsätzen an der Wiener Börse ablesen, die heuer bekanntlich stark eingebrochen sind. Doch hat die Europäische Zentralbank schon längst die Leitzinsen angehoben, woraufhin die Finanzbranche heuer kräftige Gewinne eingefahren hat. Des einen Freud, des andern Leid, könnte man sagen, denn freilich schauen somit gutgläubige arme Häuslbauer, die sich damals, lang ist’s her, nach eingehender und sicherlich umfassender Beratung in der Bankfiliale ihres Vertrauens für einen variablen Kredit entschieden haben, heute ebenso kräftig durch die Finger – oder durch die Spalten der unverputzten Ziegelmauer in die trostlose Weite der finanziellen Einöde.

Selbsternannte Chefpopulisten

Was Wunder also, dass der selbsternannte Chefpopulist des Landes, Volksoberbereiter Herbert (Kickl), und der niederösterreichische Möchtegernmarx, Andreas (Babler), hier auf den Plan treten, die „Übergewinne“ der Banken lauthals anprangern und aus dem Stimmenpool der nunmehr zum ewigen Pessimismus verdammten Kreditnehmer fischen wollen. Diesem fatalistischen Trend muss man entschieden entgegenhalten: Österreich ist trotz (beinahe) austrocknenden Neusiedler Sees immer noch eine Insel der Seligen. Die heimischen Unternehmen schlagen sich ungeachtet der vielen Krisen – angefangen beim Klimawandel über die weltweiten Konfliktherde, vor allem jenen in Nahost, bis zur fast schon liebgewonnenen Rezession – wacker und beweisen Einfallsreichtum und Kreativität. Chapeau!

Raus aus der Hängematte

Apropos Hut: Den musste heuer leider ein Großteil der Angestellten der einst so gefeierten Signa Holding nehmen. Aber ich bin mir sicher, der Vorsitzende des Signa-Beirats, Ex-Bundeskanzler Alfred (Gusenbauer), hat für die Betroffenen bereits einen besonders deftigen Sozialplan erarbeiten lassen, der sich gewaschen hat. Es kann ja nicht immer Papa Staat wegputzen, was andere versaut haben. Die Pleiten, die Rene (Benkos) – Signa-Boss und Wunderwuzzi – Weg pflastern, werden noch so einige Arbeitslose aus einem Hut zaubern, die möglicherweise in der sozialen Hängematte landen werden. Das kann mein Freund Günther (Ofner), Vorstand der Flughafen Wien AG und Aufsichtsratschef der Öbag, aus gutem Grunde nicht goutieren: „Wenn wer in der Hängematte liegt, muss er es auch spüren“ („Börsianer 500“, Ausgabe 56, Seite 96). Die ehemaligen Angestellten von Kika/Leiner spüren es schon: Leistung muss sich eben lohnen.

Pensionsmärchen für das Wahlvolk

An die Hängematte oder den Ruhestand denkt hingegen der Rene noch lange nicht, er wird sich dem Vernehmen nach hingebungsvoll der Organigrammmalerei widmen. Die Pensionen jedoch können uns allen nicht wurscht sein. Schon vor einem Jahr warnte der ehemalige Präsident der Alterssicherungskommission und Kurzzeitsozialminister, mein alter Spezi Walter (Pöltner), im „Börsianer 500“ davor, dass Menschen, die in 20 Jahren in den Ruhestand treten, eine um 20 Prozent geringere Pension zu erwarten haben als jene, die dies vor zehn Jahren taten. Das hat sich seither nicht gebessert, doch hat die Regierung das Füllhorn längst ausgeschüttet – es stehen ja im kommenden Jahr Nationalratswahlen an, und man muss ja das Wahlvolk mit großzügigen Geschenken bei Laune halten.

Christkind küss die Börse wach

Man kann von Glück reden, dass wir wenigstens eine funktionierende Finanzmarktaufsicht haben, die nach den Kriterien der Vernunft handelt – sie bleibt bei den Kreditvergaberegeln, die so manchen Bankmanagern die Laune verdorben haben, streng und lässt sich nicht beirren („Börsianer 500“, Ausgabe 56, Seite 32). Das macht sie nicht gerade zum Liebkind des Kapitalmarkts, der schon sehnsüchtig aufs Christkind wartet, um endlich wachgeküsst zu werden. Doch ohne Aussicht auf Erfolg. Vielleicht verkleidet sich Finanzminister Magnus (Brunner) kommendes Jahr als einer der heiligen drei Könige und bringt Weihrauch und Myrrhe, um die Gemüter zu beruhigen. Und bekanntlich ist ja der Advent die Zeit des aufgezwungenen Friedens, und da ist es nur allzu verständlich, wenn die Leut mürrisch werden.

So lasst uns trotz aller Widrigkeiten anstimmen das alte Weihnachtslied „Quod licet Cofag, non licet bovi“ und mit Zuversicht und dem verbliebenen Restoptimismus in das kommende Jahr blicken. Denn sobald sich die Staubwolken der Signa-Pleite verzogen haben werden, wird sich auch der Himmel wieder erhellen. Euer „Börsianer“ macht erst einmal Urlaub und kommt wieder am 8. Jänner 2024. Ich wünsche euch somit erholsame Feiertage, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Landet sicher und sanft.

In diesem Sinne,

„Cash up!“

Der Börsianer

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